Christian Kirchberger - Blog zum Recht der digitalen Wirtschaft

VG Regensburg – kein allgemeiner Unterlassungsanspruch bei Datenschutzverletzung

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat am 6.8.2020 entschieden, dass ein – durch die rechtswidrige Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten – Betroffener nicht in jedem Fall auf Unterlassung dieser Verletzung der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) klagen könne. Das Recht stehe nur denen zu, die geltend machen können, eines ihrer Betroffenenrechte aus den Artikeln 12 – 22 DSGVO sei verletzt. Die Artt. 12 – 22 DSGVO gewähren Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsrechte, das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung personenbezogener Daten und das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden. Wer jenseits dieser Betroffenenrechte geltend machen will, er sei durch rechtswidrige Datenverarbeitung in seinen (sonstigen) subjektiven Rechten verletzt, könne nicht auf Unterlassung klagen. Mit seiner restriktiven Auslegung der Rechtsschutzgarantie des Art 79 setzt sich das Verwaltungsgericht deutlich von der Rechtsauffassung anderer Gerichte und den in der wissenschaftlichen Literatur vertretenen Rechtsauffassungen ab.

1. Sachverhalt

Der Kläger wehrte sich durch Erhebung einer Klage vor dem VG Regensburg gegen die Betrieb von Videoüberwachungssystemen in der städtischen Anlage „K.-garten“, einem zentral gelegenen öffentlichen Platz der Stadt „P“, den er als Bürger der Stadt beruflich, privat und zu politischen Zwecken häufig nutzte. Der Kläger begehrte Unterlassung der Videoüberwachung. Die Kommune solle also in Zukunft das Videosystem nicht länger betreiben dürfen.

Der Stadtrat der Beklagten hat im Mai 2018 die Installation des Videoüberwachungssystems beschlossen und installieren lassen, weil ein Bericht, den die Polizeiinspektion „P“ der Beklagten im November 2017 vorgelegt hatte, ausführt, der fragliche Platz sei ein polizeilicher Brennpunkt gewesen. Der Platz sei u.a. von Alkoholikern und BtM-Konsumenten genutzt worden und er sei Tatort zahlreicher Ordnungs- und Sicherheitsverstöße gewesen. Da weder informelle Sozialkontrolle, intensive polizeiliche Kontrollen noch Sozialarbeit den Drogenhandel hätten eindämmen können, schlug die Polizeiinspektion der Beklagten die Installation von Videoüberwachungssystemen vor.

2. Entscheidung

a) Sachlicher Anwendungsbereich der DSGVO

Ob die DSGVO Rechtsgrundlage für den zu entscheidenden Fall sein kann, ist nicht schnell zu beantworten. Zwar sind Videoaufnahmen Aufzeichnung und Speicherung von Bildmaterial, das die Physiognomie natürlicher Personen betrifft, unzweifelhaft Verarbeitung personenbezogener Daten. Der Verarbeitungsbegriff der DSGVO ist sehr weit und umfasst quasi jeden Umgang mit Daten, die einen Bezug zu natürlichen Personen herstellen, Art.4 Nr.2 DSGVO. Art.2 Abs.2 Buchst.d) DSGVO schließt jedoch Datenverarbeitung „durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ aus dem sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO aus. Für sie gelten (auf Bundesebene in Deutschland) die Regelungen der §§ 45 – 84 BDSG, die wiederum auf die europäische Richtlinie 2016/680 zurückgehen, die zeitgleich mit der DSGVO in Kraft trat. Die Richtlinie soll regeln, was gemäß Art.2 Abs.2 Buchst.d) DSGVO von der DSGVO sachlich ausgeklammert ist.

Die Richtlinie 2016/680 heißt vollständig Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates und wird üblicherweise als „JI-Richtlinie“ bezeichnet. Sie gilt, weil Richtlinie, anders als eine Verordnung (wie die Datenschutzgrundverordnung) nicht unmittelbar in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Vielmehr muss sie erst in nationales Recht transferiert werden. Auf Bundesebene im Mitgliedsstaat Deutschland ist das durch die Einführung der §§ 45-84 BDSG geschehen. Neben der JI-Richtlinie gibt es weitere Rechtsvorschriften, die die Datenverarbeitung zu Zwecken der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung regeln, die jedoch sämtlich für den Fall irrelevant sind.

Die JI-Richtlinie dient der Datenverarbeitung (z.B. die Erfassung und Speicherung von Personalien, Datenabgleich, Videoüberwachung) bei Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Die Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren müssen sich dabei auf die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten beziehen. Die Datenverarbeitung bei Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren etwa aus dem Bau- oder dem Umweltrecht regelt die JI-Richtlinie nicht. Die Datenverarbeitung umfasst die Datenverarbeitung sowohl zu präventiven als auch zu repressiven Zwecken.

Zentraler Begriff für den sachlichen Anwendungsbereich der JI-Richtlinie ist die „Straftat“. Das Verwaltungsgericht nimmt davon die Ordnungswidrigkeiten aus:

„Die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von reinen Ordnungswidrigkeiten fällt nicht darunter. Erfasst werden sollen die polizeilichen Tätigkeiten in Fällen, in denen nicht von vornherein bekannt ist, ob es sich um Straftaten handelt oder nicht, sowie die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch Ergreifung von Zwangsmitteln, wie polizeiliche Tätigkeiten bei Demonstrationen, großen Sportveranstaltungen und Ausschreitungen. Sie umfassen auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung als Aufgabe, die der Polizei oder anderen Strafverfolgungsbehörden – nicht jedoch reinen Ordnungsbehörden – übertragen wurde, soweit dies zum Zweck des Schutzes vor und der Abwehr von Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit und Bedrohungen für durch Rechtsvorschriften geschützte grundlegende Interessen der Gesellschaft, die zu einer Straftat führen können, erforderlich ist. …Im vorliegenden Fall handelt die Beklagte vorrangig als Ordnungsbehörde bzw. Sicherheitsbehörde nach Art. 6 LStVG mit der Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Abwehr von Gefahren und durch Unterbindung und Beseitigung von Störungen aufrechtzuerhalten, und damit auf der Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung.“ (Gerichtsbescheid RN 22)

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Rechtmäßigkeit von Datenverarbeitungsvorgängen zum Zweck der Abwehr von Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage der DSGVO zu beurteilen. Ob die Verwendung der Videoüberwachungssysteme rechtmäßig war, sei nach den Rechtsvorschriften der DSGVO und nicht nach den auf Grundlage der JI-Richtlinie ergangenen Normen des Mitgliedstaates zu beurteilen.

b) keine allgemeine Unterlassungsklage gemäß DSGVO

Das Verwaltungsgericht vertritt die Auffassung, die DSGVO versperre im zu entscheidenden Fall den Weg zu einer Unterlassungsklage. Eine allgemeine Unterlassungsklage nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB sei im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung nicht statthaft (Leitsatz und RN 13,16-18 des Gerichtsbescheids). Aus Art.79 Abs.1 DSGVO ergebe sich, ein Unterlassungsanspruch setze voraus, dass (i) personenbezogene Daten unrechtmäßig verarbeitet werden und (ii) der Anspruchsteller geltend machen kann, seine Betroffenenrechte der Artt.12-22 DSGVO seien dadurch verletzt. Für andere subjektive Rechte, die durch die unrechtmäßige Datenverarbeitung verletzt sein könnten, räume die DSGVO die Unterlassungsklage nicht ein. Der Kläger machte mit seiner Klage allerdings nicht die Verletzung seiner Betroffenenrechte geltend, sondern, dass die Videoanlage unrechtmäßig betrieben werde und er als zur Nutzung des Platzes Berechtigter bildlich erfasst werde. (Sein subjektives Recht sei, sich gegen rechtswidrige Videoaufnahmen wehren zu dürfen, die auch ihn erfassen.) Der Kläger sei daher auf seine Rechte auf Widerspruch gemäß Art.21 DSGVO und auf Beschwerde vor der Aufsichtsbehörde gemäß Art.77 DSGVO zu verweisen.

Zur Begründung seiner Rechtsauffassung führte das Gericht den Wortlaut von Art.79 Abs. 1 DSGVO in Beziehung zu Art.77 DSGVO an: Nach Art.77 Abs.1 DSGVO ist Voraussetzung für eine Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, dass die beschwerdeführende Person behaupten kann, die ihre personenbezogenen Daten betreffende Datenverarbeitung sei rechtswidrig. Art.79 Abs.1 DSGVO beschränke demgegenüber das Recht (auf Unterlassung) zu klagen („…wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf…“) auf die ihr „aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte“. Und das seien lediglich die Betroffenenrechte aus Artt.12-22 DSGVO. Das Recht zu klagen ist nach der Interpretation des Verwaltungsgerichts Regensburg gegenüber dem Beschwerderecht deutlich eingeschränkt.

Unterlassungs- und Folgebeseitigungsansprüche, also Ansprüche gerichtet auf Beendigung der Videoüberwachung und – wo Bildmaterial noch vorhanden ist – Löschung, sollen sich nach Auffassung des Gerichts auch aus dem Widerspruchsrecht des Art.21 DSGVO und aus Art.17 DSGVO ergeben können (RN 21, 22 des Gerichtsbescheids). Der Widerspruch richtet sich an den für die Datenverarbeitung Verantwortlichen. Ist für die Datenverarbeitung – wie im zu entscheidenden Fall – eine Behörde verantwortlich und gibt diese dem Widerspruch nicht nach, sondern lehnt den Antrag des Betroffenen ab, könne dieser gegen den Ablehnungsbescheid (und auf Unterlassung) klagen. Unter dem „Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses“ sei aber zuvor ein Antrag bzw. ein Widerspruch gegenüber der Behörde zu verlangen. Das heißt, die Klage sei erst zulässig, nachdem der Kläger gegenüber der Behörde erfolglos Widerspruch im Sinne des Art.21 DSGVO eingelegt hat. Das hatte der Kläger indes nicht getan. Aus diesem Grund sei eine auf Art.21 DSGVO gestützte Unterlassungsklage unzulässig.

c) Entscheidung in der Sache

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die Klage auch in der Sache keinen Erfolg.

Obwohl das Verwaltungsgericht die Unterlassungsklage für unstatthaft hielt, die Klage daher unzulässig gewesen sei, prüfte das Gericht, ob – die Zulässigkeit der Klage unterstellt – die Klage auch aus anderen Gründen abzuweisen ist, um durch eine möglichst eindeutige Entscheidung Rechtsfrieden herzustellen.

Handeln Behörden im Rahmen ihrer Aufgaben, sind Art.6 Abs.1 Buchst. c) und e) DSGVO heranzuziehen. Auf Art.6 Abs.1 Buchst.f) DSGVO können sich hoheitliche Stellen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht berufen, Art.6 Abs.1 S.2 DSGVO. Buchst.c) betrifft die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung und e) die Datenverarbeitung, die für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Wie sich aus Art.6 Abs.3 DSGVO ergibt, sind sie keine eigenständigen Rechtsgrundlagen. Rechtsgrundlagen, also Normen, die die Behörde heranzieht, um ihr Einschreiten zu legitimieren, ergeben sich aus sonstigem Recht der EU oder dem Recht der Mitgliedsstaaten.

Mit dieser Öffnungsklausel gestattet die DSGVO es den Mitgliedsstaaten also, nationale Rechtsnormen zu schaffen, um die Datenverarbeitung zu Zwecken, wie sie in Art.6 Abs.1 Buchst. c) und e) DSGVO formuliert sind, zu ermöglichen. Die nationalen Gesetzgeber sind bei der Schaffung solcher Normen nicht frei. Ihr Ermessen wird u.a. durch die Vorgaben der höherrangigen DSGVO begrenzt. Für die hier angesprochenen Fälle der Buchst. c) und e) sieht bereits Art.6 Abs.3 S.2 DSGVO vor, wie eine nationalstaatliche Regelung auszukleiden ist.

Das Landesdatenschutzgesetz genießt für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder gegenüber dem BDSG Vorrang, § 1 Abs.1 Nr.2 BDSG . Das Gericht zog daher Art. 24 BayDSG und nicht § 4 BDSG heran.

Gemäß § 24 BayDSG ist eine Videoüberwachung zulässig, wenn dies im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder in Ausübung des Hausrechts erforderlich ist, um Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Personen, die sich im Bereich öffentlicher Einrichtungen, öffentlicher Verkehrsmittel, von Dienstgebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen öffentlicher Stellen oder in deren unmittelbarer Nähe aufhalten (Abs. 1 Nr. 1), oder um Kulturgüter, öffentliche Einrichtungen, öffentliche Verkehrsmittel, Dienstgebäude oder sonstige bauliche Anlagen öffentlicher Stellen sowie die dort oder in deren unmittelbarer Nähe befindlichen Sachen zu schützen und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt werden (Abs. 1 Nr. 2).

Das Verwaltungsgericht entschied, dass die Beklagte in Ausübung ihrer Aufgabe als Sicherheitsbehörde im Sinne des Art.6 des Bayerischen LStVG auf der Grundlage von § 24 BayDSG präventiv zur Verhinderung von Straftaten und Ordnungswidrigkeit gehandelt habe und mit der Videoüberwachung als „Nebeneffekt“ auch die Möglichkeit der Strafverfolgung verbessert worden sei. Die Beklagte habe auch in Ausübung ihres Hausrechts für die öffentliche Einrichtung des „K-Gartens“ im Sinne des § 24 BayDSG gehandelt (Gerichtsbescheid RN 28, 29).

Es entschied ferner, dass die Videoüberwachung geeignete und erforderliche Maßnahme sei, um die o.g. Zwecke zu erreichen (Gerichtsbescheid RN 30 und die Ausführungen der Beklagten hierzu in RN 28). Die Sicherheitslage auf dem Platz sei insbesondere wegen der dort begangenen Rauschgiftdelikte, wegen Vandalismus und Alkoholmissbrauchs unbefriedigend, andere Mittel seien nicht tauglich gewesen und eine Videoüberwachung habe abschreckende Wirkung auf das Milieu.

Überwiegende schützenswerte Interessen der weiteren durch die Videoüberwachung betroffenen Personen, die den Park besuchen, seien – in Anwendung von § 24 BayDSG – nicht beeinträchtigt, denn die schützenswerten Interessen anderer Personen würden nicht überwiegen. Zwar greife grundsätzlich jede Videoüberwachung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, weil die Verarbeitung (Erhebung) personenbezogener Daten, d. h. von Informationen einer identifizierbaren natürlichen Person, jedenfalls im Einzelfall (d. h. in Bezug auf einzelne auffällige Personen) nicht ausgeschlossen werden kann und – etwa im Fall von Straftaten – eine solche Identifizierbarkeit erhofft ist, erfolgen soll und rechtlich durch Inanspruchnahme von Dritten (Polizei) oft auch möglich sein wird. Durch die Videoüberwachung werde das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nicht in dessen Kernbereich der Intim- und Privatsphäre berührt, sondern allenfalls der Öffentlichkeitsbereich, womit ein das Persönlichkeitsrecht allenfalls tangierender Bereich umschrieben wird, der ohnehin von der Umwelt nicht abgeschirmt werden kann. Maßnahmen, die diesen Bereich betreffen, weisen – wenn überhaupt – nur eine geringe Belastungsintensität auf. Hier bestünden unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die geringsten Rechtfertigungsanforderungen. Nach Auffassung des Gerichts überwögen die hochrangigen Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit, die vor allem bei BtMG-Verstößen im Mittelpunkt stehen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG), aber auch im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Einrichtung K.-garten vor Vandalismus (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG) (Gerichtsbescheid RN 31). Die Maßnahmen der Beklagten seien daher in Anwendung von Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 DSGVO i.V.m. Art. 24 Abs. 1 BayDSG zulässig gewesen.

3. Bewertung und Ausblick

Das Verwaltungsgericht entschied den Fall nach den Rechtsvorschriften der DSGVO, die Ausnahmeregelung des Art.2 Abs.2 Buchst.d) DSGVO für Datenverarbeitungen zum „Schutz vor und Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ sei nicht erfüllt. Es ging dabei von den nationalen deutschen Vorstellungen aus, die zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten unterscheiden. Die DSGVO und die JI-Richtlinie sind allerdings als europäisches Recht autonom, also unabhängig von den Vorstellungen einer einzelnen nationalen Rechtsordnung, und final durch den EuGH auszulegen. Daher sollte zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat nicht unterschieden werden und die Datenverarbeitungen zum Zweck der Abwehr von Ordnungswidrigkeiten ebenfalls unter die JI-Richtlinie und die sie umsetzenden Vorschriften auf nationaler Ebene subsummiert werden (so auch das Verständnis der Bundesregierung, Gesetzesentwurf zum 1. Datenschutzanpassungsgesetz, mit die Neufassung des BDSG vorgeschlagen wurde, BT-Drs. 18/11325, S. 110 zu § 45 BDSG n.F.). Hätte das Verwaltungsgericht dann die JI-Richtlinie und die sie umsetzenden Vorschriften seiner Entscheidung zugrunde gelegt, wäre eine Unterlassungsklage statthaft gewesen, weil die JI-Richtlinie eine dem Art 79 Abs.1 DSGVO (Unterlassungsanspruch angeblich nur bei Verletzung der Betroffenenrechte der Artt. 12ff DSGVO) gleichsetzbare Rechtsnorm nicht kennt.

Dass sich ferner die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts durchsetzt, Art.79 DSGVO erlaube einen allgemeinen Unterlassungsanspruch (mangels dezidierter Regelung in der DSGVO und dem BDSG werden für den Unterlassungsanspruch § 1004 Abs.1, § 823 Abs.2 BGB herangezogen) Betroffener gegen rechtswidrige Datenverarbeitungen nicht, ist unwahrscheinlich.

Soweit für den Bearbeiter erkennbar hat bisher kein Gericht in Deutschland diese Rechtsauffassung vertreten. Art. 79 DSGVO wird mit Blick auf das durch Art.47 der Grundrechte-Charta der EU von der Rechtswissenschaft vielmehr als Rechtsschutzgarant verstanden.

Wer durch rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten in seinen Rechten (insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung) verletzt ist, soll den Rechtsweg beschreiten können.

Im Übrigen greift das Verwaltungsgericht zu kurz, wenn es Art. 79 Abs.1 DSGVO so auslegt, dass mit den „aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte“ lediglich die Betroffenenrechte der Art.12-22 gemeint seien. Weitere Rechte der DSGVO unterschlägt das Verwaltungsgericht: Art 1 Abs.2 (Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, insbesondere der Schutz personenbezogener Daten), Art.34  (Benachrichtigungsrecht Betroffener).

 

Datenschutz

Art.2 Abs.2 Buchst.d), Art.6 Abs.1 Buchst. c) und e) Art.79 Abs.1, Artt. 12-22 DSGVO, Art. 24 BayDSG

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