Am 9.April 2020 bereitete das Landgericht München I durch Urteil (17 HK O 1703/20) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Geschäftsidee einer UG (Unternehmergesellschaft) ein Ende. Die UG hatte zum Zweck der Zweitverwertung WLAN-Router der Herstellerin, der Antragstellerin in diesem Verfahren, durch leistungsstärkere Firmware und Verbesserung der Konfiguration modifiziert, zum Kauf angeboten. Der Idee stehen markenrechtliche Unterlassungsanspruch der Herstellerin entgegen.
1. Sachverhalt
Die Antragstellerin stellt WLAN-Router her und vertreibt sie in Europa unter einem Namen, für den sie eine seit 2005 eingetragene Unionsmarke u.a in der Sparte „Datenverarbeitungsgeräte“ hält. Die Bezeichnung hat die Antragstellerin auf den Routern selbst und auf der Verpackung angebracht.
Eine von der Antragsgegnerin vertriebene Sonderversion des WLAN-Routers hatte die Antragstellerin ab dem Jahr 2015 dezidiert für einen Kabelnetzbetreiber produziert und an diesen verkauft. Die Sonderversion unterscheidet sich äußerlich und technisch von der Serienversion der Antragstellerin.
Die von der Antragsgegnerin vertriebenen Router waren allerdings mit derselben Bezeichnung gekennzeichnet, die die Antragstellerin für ihre Produkte verwendet hat. Und die im Internet von der Antragsgegnerin genutzte Bezeichnung entsprach weitgehend der Originalbezeichnung der Antragstellerin. Allerdings fehlte das Ausrufezeichen zwischen den beiden Silben.
Die Sonderversion erlaubte kein DVB-C-Streaming. Und ihre Firmware war so eingestellt, dass sie den Bezug von Updates der Antragstellerin, der Herstellerin der Router, nicht ermöglichte (, weil die Kunden des Kabelnetzbetreibers Updates vom Kabelnetzbetreiber selbst bezogen). Insgesamt blieb das Leistungsvermögen der Sonderversion also hinter dem der Serienversion zurück. Die Antragsgegnerin vertrieb solche Sonderversionen des Routers im Internet, die sie mit „Ohne Branding, mit aktueller Firmware 7.12, aktuellem Zertifikat“ sowie mit der Garantie des „vollen Funktionsumfangs“ bewarb.
Ein von der Antragsgegnerin zu Aufklärungszwecken von der Antragsgegnerin erworbenes Exemplar war mit der Firmware des Serienmodells ausgestattet und wies den vollen Umfang des Serienmodells auf. Es war ferner DVB-C-fähig.
2. Markenrechtlicher Unterlassungsanspruch
a) Als Inhaberin einer Unionsmarke, in dessen Marktsegment „Datenverarbeitungsgeräte“ die streitgegenständlichen WLAN-Router fielen, stehe der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch aus Art.9 Abs.1, Abs.2 a und b UMV (Unionsmarken-Verordnung) zu. Die Antragsgegnerin habe ein mit der Marke der Antragstellerin identisches oder jedenfalls hochgradig ähnliches Zeichen verwendet. Es werde für den Vertrieb von Routern genutzt, also für identische bzw. hochgradig verwechslungsfähige Waren, soweit die von der Antragsgegnerin vertriebenen Router firmwareseitig verändert wurden. Letztlich würde die Ware bei den angesprochenen Verkehrskreisen auch eine Verwechslungsgefahr erregen, weil diese davon ausgehen würden, dass es sich bei den angebotenen Routern um solche der Antragstellerin handele.
b) keine Erschöpfungswirkung
Allerdings ist es unionsmarkenrechtlich grundsätzlich nicht verboten, Ware auf dem Zweitmarkt unter Verwendung der Marke des Inhabers zu verwerten. Denn wer einmal Waren unter seiner Marke in die EU eingeführt hat oder mit seiner Zustimmung einführen ließ, kann einem Dritten nicht untersagen, die Marke für diese Ware zu benutzen, Art.15 Abs.1 UMV, „Erschöpfungsgrundsatz“. Dabei ist unerheblich, ob die Ware in der EU hergestellt oder von außen eingeführt wurde.
Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Er wird gemäß Art.15 Abs.2 UMV durch „berechtigte Gründe“ aufgeweicht, die es „rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt,“. Das wiederum ist gemäß Art.15 Abs.2 UMV insbesondere dann der Fall, „wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist“.
Nach Überzeugung des Landgerichts handele es sich bei Verschlechterung oder Veränderung nur um Beispiele für solche berechtigten Gründe. Der Markeninhaber könne sich „letztendlich vielmehr allen Handlungen widersetzen, die die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke verletzten oder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Märkte in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen…“ (Urteil RN 51)
Im zu entscheidenden Fall habe die Antragsgegnerin die Ware im Sinne von Artikel 15 Abs.2 UMV verändert und sich daher nicht auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen können.
Der Weitervertrieb geänderter Produkte sei in nur sehr begrenzten Rahmen zulässig. Es gehe darum, ob eine Beeinträchtigung der Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke gegeben ist.
Die Antragsgegnerin habe auf eine Eigenschaft der mit der Marke der Antragstellerin gekennzeichneten Geräte eingewirkt. Der Verwendungszweck wurde verändert. Die fraglichen Geräte sollten nämlich einen im Vergleich zu den Serienmodellen eingeschränkten Leistungsumfang haben. „Wenn aber dieser Leistungsumfang entgegen dem, was seitens des Markeninhabers vorgesehen war, wesentlich erhöht wird, reicht dies nach Überzeugung der Kammer aus, um die Erschöpfung nach Artikel 15 auszuschließen. Denn die angesprochenen Verkehrskreise erwarten, dass die Funktion und der Verwendungszweck der Geräte nach dem Inverkehrbringen nicht derart von einem Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers verändert worden sind.“ (Urteil RN 59)
„Hinzu kommt, dass, …, für die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, die Änderung nicht als solche eines Dritten erkennbar ist, die angesprochenen Verkehrskreise somit den veränderten Zustand der Ware, da auf eine Aufarbeitung durch einen Dritten, insbesondere die Antragsgegnerseite, nicht hingewiesen wird, fälschlich dem Markeninhaber zurechnen …“ (Urteil RN 60).
c) keine rein beschreibende Verwendung der Marke und keine „anständigen Gepflogenheiten“ in Gewerbe oder Handel
Gemäß Art.14 Abs.1 Buchst. b) UMV kann der Inhaber einer Marke nicht beanspruchen, dass ein Dritter im Geschäftsverkehr folgende beschreibende Angaben nutzt: „Zeichen oder Angaben ohne Unterscheidungskraft oder über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere Merkmale der Ware oder Dienstleistung;“.
Da die angesprochenen Verkehrskreise die fragliche Bezeichnung, die der Antragsgegner sowohl in der Werbung als auch auf den Geräten selber verwendet hat, als Herkunftshinweis darauf, dass die angebotenen Produkte von einem bestimmten Hersteller stammen, verstünden, habe die Antragsgegnerin die Bezeichnung markenmäßig und daher nicht rein beschreibend verwendet. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die angebotenen Geräte vielmehr direkt dem Hersteller zuschreiben.
Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht auf Artikel 14 Abs. 2 UMV berufen. Die Antragstellerin hat auf die von ihr vorgenommenen Modifikationen nicht hingewiesen. Diese Änderung der Ware werde daher dem ursprünglichen Hersteller, also der Antragstellerin, zugeschrieben. Das sei mit den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel nach Auffassung der Kammer nicht vereinbar.
3. Fazit
Auch die technische Verbesserung kann eine Veränderung im Sinne von Art.15 Abs.2 UMV sein und den markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz aushebeln. Der Inhaber einer Marke bestimmt selbst, mit welchen Eigenschaften seine Waren bei den Abnehmern identifiziert werden sollen, und er kann damit alternative Geschäftsideen beschneiden.
Markenrecht | IT-Recht
Artt. 9 Abs.2 Buchst. a und b), 15 UMV