Am 21.Februar 2020 hat das Landgericht Heidelberg einen Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO durch Urteil (4 O 6/19) wegen Unverhältnismäßigkeit abgewiesen.
Nicht im Ergebnis aber in der Herleitung ist das Urteil abzulehnen.
1. Sachverhalt
Der Kläger war 2011/2012 für einen Zeitraum von entweder einem Jahr oder eineinhalb Jahren Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft. Diese AG meldete im März 2013 Insolvenz an und wurde später an eine andere AG verkauft. Der Kläger macht gegen den Insolvenzverwalter umfangreiche Auskunftsansprüche geltend. Mit seinen Hauptanträgen verfolgte der Kläger sämtliche Auskunftsansprüche im Sinne des Art. 15 Abs.1 Buchst. a-h) DSGVO. Mit seinen Hilfsanträgen begehrte der Kläger 1. Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten betreffend die Datenkategorie E-Mails aus der Zeit 21.August 2010 bis zum 30. November 2011 soweit es um die Verarbeitungszwecke, die Herkunft der Daten, die Empfänger bzw. Kategorien der Empfänger und die geplante Dauer ihrer Speicherung geht. Und 2. ihm Kopien der personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen, die Gegenstand von Datenverarbeitung des Beklagten sind.
2. Entscheidung des Landgerichts
a) kein umfassender Auskunftsanspruch
Den Total-Auskunftsanspruch aus den Hauptanträgen des Klägers lehnte das LG Heidelberg ab.
„Vorliegend beschreibt der Kläger jedoch nicht einmal, auf welche Bereiche bzw. Kategorien er seine Auskunft erstrecken lassen will. Für Verantwortliche, die eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeiten, sieht Erwägungsgrund 63 a.E. zunächst eine Erleichterung bei einem (pauschalen) Auskunftsersuchen vor. So darf der Verantwortliche vor Auskunftserteilung von der betroffenen Person eine Präzisierung des Auskunftsbegehrens verlangen (s. auch Bäcker in Kühling/Buchner DS-GVO Art. 15 Rn. 30; Schantz in Schantz/Wolff DatenschutzR Rn. 1193; bzgl. der Herausforderungen iRv Big Data Anwendungen s. Werkmeister/Brandt CR 2016, 233 (236 f.)). Die betroffene Person hat klarzustellen, an welchen Informationen bzw. welchen Verarbeitungsvorgängen sie interessiert ist (Paal/Pauly/Paal, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn. 8).“ (Urteil RN 32)
Das Landgericht vertritt also die Auffassung, dass es einen totalen Auskunftsanspruch, der sämtliche Facetten der Verarbeitung personenbezogenen Daten im Sinne des Art.15 Abs.1 Buchst. a) -h) DSGVO umfasse, nicht gebe. Begründet wird diese Rechtsauffassung nicht.
Unter Verweis auf den Erwägungsgrund 63 der DSGVO sei es ferner so, dass der Verantwortliche, der die Auskunft zu erteilen hat, verlangen können sollte, „dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt“, wenn der Verantwortliche „eine große Menge von personenbezogen Daten über die betroffene Person“ verarbeitet (Erwägungsgrund 63 DSGVO, letzter Satz). Dass der Beklagte den Kläger zur Spezifizierung seiner Auskunftsansprüche jemals aufgefordert und dieser abgelehnt habe, ergibt sich aus dem Urteil jedoch nicht. Die Kammer scheint vielmehr die Auffassung zu vertreten, dass der Auskunftsanspruch auch ohne Aufforderung des Verantwortlichen irgendwie spezifiziert sein müsse.
b) Unverhältnismäßigkeit des Auskunftsanspruchs
Aus Sicht des Landgerichts seien die Hilfsanträge „hinreichend präzisiert“. Unter welchen Voraussetzungen ein Auskunftsantrag hinreichend präzise ist, sagt das Landgericht bedauerlicherweise nicht. Die Beschränkungen auf die „Datenkategorie“ E-Mail-Korrespondenz und auf einen Zeitraum von annähernd 15 Monaten reichen dem Landgericht im Ergebnis für eine hinreichende Präzisierung aus.
Nach Überzeugung des Landgerichts seien die hilfsweise verlangten Auskünfte für den Beklagten aber mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden (Urteil RN 35, 36). Ein Auskunftsanspruch bestehe daher nicht. Das Landgericht benennt die Rechtsvorschrift nicht, die Auskunftsansprüche bei Unverhältnismäßigkeit ausschließe. In Frage kommt Art.12 Abs.5 DSGVO.
Zwar sieht auch § 34 Abs.1 Nr.2 BDSG vor, dass der Verantwortliche Auskunftsansprüche ablehnen kann, wenn die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde – vorausgesetzt, es handelt sich um Daten, die aufgrund gesetzlicher oder satzungsmäßiger Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen (Buchst. a) oder die Daten dienen ausschließlich der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle (Buchst. b). § 34 Abs.1 Nr.2 BDSG setzt aber im Weiteren voraus, dass die Verarbeitung zu anderen als den zuvor genannten Zwecken durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen ist. Letzteres prüfte das Landgericht allerdings nicht, so dass anzunehmen ist, das Gericht hat § 34 Abs.1 Nr.2 BDSG hier nicht angewendet.
Art.12 Abs.5 DSGVO sieht vor, dass der Verantwortliche sich weigern kann, „aufgrund des Auskunftsanspruchs tätig zu werden“, wenn der Antrag offenkundig unbegründet ist oder exzessiv. Den Begriff exzessiv interpretiert das Landgericht mit unverhältnismäßig, wobei es die Interessen und Rechte beider Parteien gegeneinander abwog.
Die Unverhältnismäßigkeit stützt das Urteil darauf, dass 1) 4.000 € anfielen für die Wiederherstellung der begehrten Daten auf „den alten Servern“ und 2) mehrere tausend E-Mails in den Auskunftsanspruch fielen. Die Zahlen waren umstritten. Hier reichte dem Landgericht eine Plausibilitätsprüfung auf der Grundlage des Vortrags des Beklagten, der meinte, die Auskunft betreffe ca. 10.000 E-Mails. Der Beklagte hätte die E-Mails sichten und zum Schutz berechtigter Interessen Dritter teilweise schwärzen müssen. Hierfür veranschlagte das Gericht einen Zeitaufwand von mehreren Personenwochen und wog den Aufwand gegen das Informationsinteresse des Klägers ab, das es gering bewertete: Das Gericht legte in die Waagschale, dass der Kläger trotz persönlicher Ladung nicht zum Termin erschienen war und seinen Auskunftsanspruch erst einige Jahre nach Ausscheiden aus der Vorstandsposition im Jahr 2011 bei der betroffenen AG geltend machte. Außerdem habe er sich in einem Parallelverfahren vor dem Landgericht Heidelberg so eingelassen, dass es nicht rechtsmissbräuchlich sei, wenn ein Arbeitnehmer mit der „Geltendmachung einer Datenkopie“ Druck auf seinen Arbeitgeber ausüben will.
3. Darlegungs- und Beweislast
Macht ein Betroffener Auskunftsansprüche nach Art.15 DSGVO in einem für den Verantwortlichen ärgerlichen Ausmaß geltend, stehen diesem mit Art. 12 Abs.5 DSGVO und § 34 Abs.1 Nr.2 BDSG Rechtsgründe zur Verfügung, die den Auskunftsanspruch beschränken. (Dazu bereits oben unter 2.b.) Allerdings obliegt es dem Verantwortlichen, deren Voraussetzungen (u.a. die Exzessivität oder Unverhältnismäßigkeit) darzulegen und zu beweisen, was dem Verantwortlichen – falls der Betroffene bestreitet – nur mit einigem Aufwand und ggf. nur durch Sachverständigenbeweis gelingen kann. Das Landgericht kürzte – ganz im Sinne der Prozessökonomie – das Verfahren ab und schätze die Anzahl an E-Mails des ehemaligen Vorstands innerhalb der fraglichen Zeit von etwa 1 – 1 1/2 Jahren auf der Grundlage des Beklagtenvortrags.
4. Fazit
Das Urteil ist im Ergebnis für Arbeitgeber und andere datenverarbeitende Stellen erfreulich und praxisnah. Seine Begründung ist allerdings angreifbar. Sicherlich haben Besonderheiten des Einzelfalls die Richter zur Klageabweisung veranlasst und die Kammer dürfte im Bewusstsein der Lästigkeitswirkung allzu raumgreifender Auskunftsverlangen entschieden haben.
Datenschutzrecht
Artt. 12 Abs.5, 15 Abs.1 und 3 DSGVO, § 34 Abs.1 Nr.2 BDSG