Christian Kirchberger - Blog zum Recht der digitalen Wirtschaft

VG Hannover – Unzulässige Foto-Veröffentlichung auf Facebook-Fanpage einer Partei

Veröffentlicht eine Partei auf ihrer Fanpage bei Facebook zur politischen Werbung ein Foto, auf dem Personen erkennbar abgebildet sind, und willigen diese nicht ein, so liegt darin eine unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten; ob dies – nur – aus Art. 6 Abs. 1 DSGVO oder – auch – aus § 23 KUG folgt, kann offen bleiben. (Leitsatz des Gerichts, Urteil vom 27.11.2019, 10 A 820/19).

In der Fachliteratur ist umstritten, ob für die Erhebung bzw. (sonstige) Verarbeitung von Bildaufnahmen das nationale Kunsturhebergesetz (KUG) einschlägig ist, nachdem seit dem 25. Mai 2018 die DSGVO als das höherrangige europäische Recht anzuwenden ist. Die für das Datenschutzrecht zuständige 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover prüfte die Rechtmäßigkeit der beklagten Verarbeitungstatbestände nach beiden Gesetzen, verneinte sie für beide und musste daher die offene Rechtsfrage nicht beantworten.

  1. Sachverhalt

Der Kläger, Ortsverein einer politischen Partei, klagte gegen eine datenschutzrechtliche Verwarnung vom 9. Januar 2019, die die beklagte Datenschutzaufsichtsbehörde gegen die Veröffentlichung von Fotografien von Personen aussprach, und gegen den später erlassenen Gebührenbescheid über 362,25 Euro.

Zum Erlass der beiden Bescheide sah sich die Beklagte veranlasst, weil sich ein Ehepaar bei ihr darüber beschwerte, dass der Kläger auf seiner Fanpage des Netzwerks Facebook ein Foto von ihnen seit dem 17.09.2018 veröffentlichte. Das Foto löschte der Kläger nach Aufforderung der Eheleute noch vor Erlass der Bescheide.

Auf dem Foto ist das Ehepaar als Gast einer von etwa 70 Personen besuchten öffentlichen Veranstaltung des Klägers, bei der es um den Bau einer Ampelanlage ging, in einer Menschenmenge stehend und erkennbar abgebildet.

  1. Rechtswidrigkeit der Foto-Veröffentlichung auf einer Facebook-Fanpage nach KUG

a) § 23 KUG in Verbindung mit Art. 85 Abs.2 DSGVO

Die DSGVO ist europäisches Recht, das dem nationalen deutschen Recht vorgeht, soweit es dieselben Sachverhalte regelt. Sowohl §§ 22, 23 KUG als auch Art.6 DSGVO regeln, inwieweit Fotos „verbreitet“ bzw. „öffentlich zur Schau“ gestellt werden dürfen (Terminologie des KUG; in der Sprache der DSGVO ist es „Verarbeitung“ durch Offenlegung). Art. 85 Abs.2 DSGVO sieht jedoch von diesem Anwendungsvorrang der DSGVO ab, wenn es um die Balance zwischen dem Datenschutz und der Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken geht. Für Abweichungen oder Ausnahmen von weiten Teilen der DSGVO inkl. Art.6 DSGVO sind gemäß Art.85 Abs.2 DSGVO zu vorbenannten Zwecken die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zuständig. Das KUG, als Gesetz des Mitgliedsstaates Deutschland kann also herangezogen werden, soweit die Fotos zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken verarbeitet werden.

Nach Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts habe sich der Kläger auf journalistische Zwecke nicht berufen können.

„Journalismus bezeichnet die publizistische Arbeit von Journalisten bei der Presse, in Online-Medien oder im Rundfunk mit dem Ziel, Öffentlichkeit herzustellen. Der Kläger hat mit seiner Fanpage in erster Linie zum Ziel, für seine Interessen und seine Arbeit zu werben, den Erfolg der eigenen Arbeit zu veranschaulichen und sich dadurch selbst darzustellen. Bildveröffentlichungen, die der Selbstdarstellung dienen, lassen sich aber nicht mehr als eine Verarbeitung zu journalistischen Zwecken qualifizieren.“ (Urteil RN 36)

b) §§ 22, 23 KUG in Verbindung mit Art. 85 Abs.1 DSGVO

Da in der Fachliteratur auch die Auffassung vertreten wird, §§ 22 und 23 KUG seien auch dann anzuwenden, wenn es nicht um journalistische, wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Zwecke im Sinne von Artikel 85 Abs. 2 DSGVO geht, prüfte das Verwaltungsgericht auch deren Voraussetzungen.

Eine nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung habe nicht vorgelegen. Zwar könne eine Einwilligung auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, erteilt werden. Aus dem Verhalten des Ehepaars sei allerdings nicht zu schließen, dass es mit der Veröffentlichung auf der Fanpage einverstanden gewesen sei. Mag sein, dass mit der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung wie der des klagenden Ortsvereins, der Teilnehmer damit einverstanden ist, dass Fotos gemacht und in der Presse veröffentlicht werden. Eine Einwilligung in die Veröffentlichung von Fotos auf einer Facebook-Fanpage schließe das nicht mit ein.

„Keinesfalls willigt man aber mit der Teilnahme an der Veranstaltung zugleich in die Veröffentlichung von Fotos auf einer Fanpage bei Facebook ein. Eine Veröffentlichung von Bildern auf einer Fanpage einer Partei bei Facebook hat eine ganz andere Qualität als die Veröffentlichung in der Presse, zumal wenn, wie hier anzunehmen ist, keine Vereinbarung nach Artikel 26 DS-GVO zwischen Facebook und dem Betreiber der Fanpage – hier: dem Kläger – abgeschlossen wurde. Denn die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Veröffentlichung von Daten auf einer Fanpage bei Facebook mit unkalkulierbaren Risiken für die betroffenen Personen verbunden ist, insbesondere keine effektive Kontrolle mehr über die Weiterverwendung der Daten ausgeübt und auch ein etwaiger Löschungsanspruch nicht mehr wirksam durchgesetzt werden kann. Gemäß den Nutzungsbedingungen mit Facebook werden mit dem Teilen von Inhalten, wie es der Kläger mit der Veröffentlichung des Fotos unternommen hat, weitreichende, weltweite Lizenzen an Facebook erteilt, die geteilten Inhalte zu verwenden, zu verbreiten, zu modifizieren, auszuführen, zu kopieren und öffentlich vorzuführen. In den USA, in denen die Facebook Inc. ihren Firmensitz hat, sind die Datenschutzstandards außerdem gegenüber dem europäischen Datenschutzstandard erheblich geringer.“ (Urteil RN 38)

Das Verwaltungsgericht sah allerdings davon ab, an dieser Stelle die Nachteile einer Fotoveröffentlichung auf einer Facebook-Fanpage im Detail zu erläutern (Lizenzregelungen, datenschutzrechtliche Lage).

Ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung dürfen nach § 23 Abs. 1 KUG verbreitet werden Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte (Nr. 1), Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen (Nr. 2), Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben (Nr. 3), und Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient (Nr. 4). Gemäß § 23 Abs.2 KUG erstreckt sich die Befugnis aber nicht auf die Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.

Die Voraussetzungen von Nr. 3 hätten nach Auffassung des Verwaltungsgerichts vorgelegen. Unter Ziffer 3 fielen Bildberichterstattungen von Menschenansammlungen verschiedenster Art, es müsse sich nur jeweils um eine derart große Anzahl von Personen handeln, dass der Einzelne sich nicht aus ihr hervorhebe. Die auf dem bei Facebook veröffentlichten Foto abgebildeten Personen seien bewusst auf der Veranstaltung des Klägers gewesen, also Teilnehmer, und gegenüber der Menge auf dem Foto trete jeder einzelne der etwa 30 abgebildeten Personen in den Hintergrund.

Bei der Abwägung der gegenüberstehenden Interessen gemäß § 23 Abs.2 KUG sei das Interesse des Ehepaars, bei Facebook nicht individualisierbar veröffentlicht zu werden, aus den bereits oben genannten Gründen größer als das Darstellungsinteresse des Ortsvereins. Im Übrigen werde durch das Foto auf der Fanpage des Ortsvereins eine möglicherweise nicht bestehende Zustimmung der abgebildeten Personen zu der politischen Aktivität des Ortsvereins suggeriert.

  1. Rechtswidrigkeit der Foto-Veröffentlichung auf einer Facebook-Fanpage nach DSGVO

Die Veröffentlichung der Fotos konnte der Kläger auch nicht alternativ auf Art. 6 DSGVO stützen. Die Anforderungen an eine Einwilligung im Sinne der Artt. 6 Abs.1 Buchst. a), 7 DSGVO sind höher als die an Einwilligungen nach dem KUG. Dass Einwilligungen nach KUG nicht vorliegen, hat das Verwaltungsgericht bereits oben zu § 23 KUG klargestellt.

Das Verwaltungsgericht prüfte, ob der Kläger nach Art.6 Abs.1 Buchst.f) (Interessenabwägung) bzw. nach Buchst.e) DSGVO (Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben) legitimiert war, die Fotos auf seiner Facebook-Fanpage zu veröffentlichen. Sonstige Erlaubnistatbestände des Art.6 DSGVO kamen erkennbar nicht in Frage.

a) Interessenabwägung, Art.6 Abs.1 Buchst.f) DSGVO

Eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Der Kläger konnte für sich ein Interesse an der Veröffentlichung von Fotos zur Werbung für seine politische Tätigkeit ins Feld führen. Parteien wirken schließlich an der politischen Willensbildung des Volkes mit, Art.21 Abs.1 S.1 Grundgesetz.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Hannover sei allerdings nicht erforderlich gewesen, ein Foto zu veröffentlichen, auf dem die Eheleute identifizierbar waren. Unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 39 der DSGVO sei die Verarbeitung „erforderlich“, wenn kein milderes, wirtschaftlich gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, den entsprechenden Zweck mit gleicher Sicherheit zu verwirklichen. Zwar habe der Kläger ein berechtigtes Interesse daran zu dokumentieren, dass seine Veranstaltung von einer größeren Gruppe besucht wurde. Es sei aber nicht darauf angekommen, dass gerade „die abgebildeten Personen als solche in einen spezifischen Kontext zur politischen Tätigkeit des Klägers gesetzt werden.“ Es sei dem Kläger möglich gewesen, das Foto unter Unkenntlichmachung der abgebildeten Personen, z. B. durch Verpixelung der Gesichter, zu verwenden (Urteil, RN 45).

Außerdem trete bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen des Klägers mit denen der Eheleute das des Klägers zurück. Die abgebildeten Eheleute haben aus den bereits oben benannten Gründen (2.b)) ein Interesse daran, auf einer Facebook-Fanpage nicht abgebildet zu werden. Bei einer Abwägung der gegeneinanderstehenden Interessen sind (auch) die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen (hier: der Eheleute) zu berücksichtigen und welche möglichen Datenverarbeitungstatbestände sie absehen konnten (Erwägungsgrund 47 DSGVO). Zwar hätten die Eheleute damit rechnen müssen, dass Vertreter der Presse Fotos machen und diese in örtlichen Presseerzeugnissen veröffentlichen würden. Mit der Verwendung der Fotos durch den Ortsverein für eigene Zwecke auf einer Facebook-Fanpage mussten die Eheleute dagegen nicht rechnen.

b) Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, Art.6 Abs.1 Buchst.e) DSGVO

Wie sich aus Art.6 Abs.3 S.1 DSGVO ergibt, ist Art.6 Abs.1 Buchst.e) DSGVO keine Rechtsgrundlage. Vielmehr ist ein Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung zu öffentlichen Zwecken im nationalen deutschen Recht oder dem EU-Recht erforderlich. Das Verwaltungsgericht prüfte § 3 BDSG und § 3 S.1 NDSG. Beide Erlaubnistatbestände greifen nur, wenn der Kläger eine „öffentliche Stelle“ ist. Politische Parteien nehmen zwar öffentliche Aufgaben wahr, sind aber weder funktional noch organisatorisch Teil des Staates, wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, also keine öffentliche Stelle. Der Kläger sei auch nicht Beliehener, denn dafür hätte ihm eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung übertragen sein müssen. Öffentliche Stellen Niedersachsens sind auch Vereinigungen des privaten Rechts, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und an denen eine oder mehrere juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder durch eine solche Vereinigung beteiligt sind, § 1 Abs.1 S.3 NDSG. Der Kläger habe aber weder eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen, noch seien an ihm juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Land, Kommune …) beteiligt gewesen. Weder § 3 BDSG noch § 3 S.1 NDSG seien daher erfüllt. Politische Parteien seien nicht-öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG (so auch der Beschluss der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder – Datenschutzkonferenz – vom 5. 9. 2018, dort unter 5.)

Die Veröffentlichung des fraglichen Fotos auf der Facebook-Fanpage des Ortsvereins sei also rechtswidrig gewesen.

  1. Verwarnung als das richtige Mittel der Behörde

Da der Kläger das Foto entfernt hatte, bevor der Bescheid erlassen wurde, war nach Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts die Verwarnung ein nach Ausübung fehlerfreien Verwaltungsermessens richtiges Mittel im Sinne des Art.58 Abs.2 DSGVO. Es habe dazu gedient, das datenschutzrechtswidrige Verhalten des Ortsvereins verbindlich festzustellen.

Fazit: Das Verwaltungsgericht Hannover hat einen praxisrelevanten Beitrag zu den Themen Interessenabwägung nach Art.6 Abs.1 Buchst.f) DSGVO / § 23 Abs.2 KUG und Einwilligung im Sinne des Art.6 Abs.1 Buchst.a) DSGVO / § 22 KUG unter Berücksichtigung der vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen geliefert, indem es die Veröffentlichung von Fotos auf Facebook-Fanpages als für die Betroffenen juristisch nachteilig beurteilte. Betreibern von Fanpages bleibt demnach die Möglichkeit, jeweils Einwilligungen abgelichteter Personen einzuholen, die möglichst dem KUG und der DSGVO genügen, oder keine Fotos zu veröffentlichen, die Personen erkennbar abbilden.

 

Datenschutz | Kunsturheberrecht

Artt. 6, 58 Abs.2 DSGVO, §§ 22, 23 KUG

Neuste Beiträge

Dieses Blog informiert über Themen des Rechts der Informationstechnologie, des Datenschutzes, des Internets und der Telekommunikation