(Foto: Kirchberger) Die wirtschaftliche Bedeutung von Intermediären wächst. Und mancher Intermediär hebt Anbieter ungefragt auf seine Plattform. Dass dabei Spielregeln einzuhalten sind, stellte im Februar 2018 der Bundesgerichtshof fest, der einer Ärztin Recht gab, die gegen die konkrete Gestaltung ihres von jameda ohne Erlaubnis erstellten Arztprofils geklagt hatte (BGH Urteil vom 20. Februar 2018 – VI ZR 30/17) . Mit Urteil vom 13.02.2020, 312 O 372/18, hat jüngst das LG Hamburg dem Netzwerk Facebook untersagt, ohne Einwilligung das Profil einer Anwaltskanzlei mit öffentlich zugänglichen Informationen einzurichten und auf facebook.com als sogenannte „nicht-verwaltete Seite“ bereitzuhalten, wenn sich aus den Informationen auf der Webseite nicht deutlich ergibt, dass sie nicht von der Anwaltskanzlei stammt.
- Sachverhalt
Facebook richtete auf ihren Webseiten das Profil einer auf Urheber- und Medienrecht sowie den gewerblichen Rechtsschutz spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei, der Klägerin, ein. Solche nicht-verwalteten Seiten generiert die beklagte Facebook automatisch, wenn ein Unternehmen zwar über kein Unternehmensprofil bei Facebook verfügt, Facebook aus entsprechenden Nutzeranfragen aber auf entsprechendes Interesse schließt. Die im Unternehmensprofil eingepflegten Informationen entnimmt Facebook öffentlich zugänglichen Quellen. Die Klägerin bemerkte das im Januar 2018. Die Aufforderungen der Klägerin, zunächst per Facebook-Meldeformular und anschließend schriftlich, das Profil nicht öffentlich zugänglich zu machen, blieben unbeantwortet. Die Klägerin und als weiterer Kläger einer der Partner der Anwaltssozietät verklagten Facebook daher auf Unterlassung.
Die Klage vor dem Landgericht Hamburg war erfolgreich. Einen Unterlassungsanspruch der klagenden Anwaltssozietät leitete das Landgericht Hamburg aus der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und den des Klägers aus der Verletzung von Datenschutzrecht ab.
- Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin
Wer schuldhaft sogenannte absolute Rechte eines anderen – wie die Gesundheit oder das Eigentum – verletzt, macht sich gemäß § 823 BGB schadenersatzpflichtig. Werden solche absoluten Rechte verletzt, kann der Inhaber dieser Rechte – über den Wortlaut des Gesetzes hinaus – gemäß § 1004 BGB Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Wenn für die Zukunft das Fortbestehen der Beeinträchtigung oder weitere Beeinträchtigungen zu befürchten sind, kann der Inhaber auch auf Unterlassung klagen.
Absolute Rechte sind Rechte, die der Inhaber jedem anderen gegenüber innehat, während relative Rechte sich nur gegen bestimmte Personen richten und nur diese sind dem Rechteinhaber zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet. Relative Rechte werden auch als Anspruch oder Forderung bezeichnet. Das Eigentum als absolutes Recht kann der Inhaber jeder Person gegenüber geltend machen, er ist jedem anderen gegenüber der Eigentümer. Relative Rechte ergeben sich insbesondere aus Verträgen. Ansprüche aus Verträgen kann nur eine Partei des Vertrags (und ggf. Begünstigte aus dem Vertrag) und nur gegen die andere(n) Partei(en) des Vertrages geltend machen.
Zu den absoluten Rechten zählt nach ständiger Rechtsprechung auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Begriff „Gewerbe“ ist dabei nicht im Sinne der handelsrechtlichen Interpretation zu verstehen, denn das würde Freiberufler – wie z.B. die klagende Anwaltssozietät –, weil diese nach dem Gesetz kein Gewerbe betreiben, gegenüber anderen Unternehmen benachteiligen.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist beeinträchtigt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt, also betriebsbezogen ist und nicht von diesem ohne weiteres ablösbare Rechte betrifft. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen.
Eine Beeinträchtigung richtet sich nicht gegen den Betrieb, wenn beispielsweise ein wesentlicher Mitarbeiter bei einem Straßenverkehrsunfall verletzt wird, ausfällt und darunter die Leistung des Betriebs leidet. Tatsächlich ist ein absolutes Recht des Mitarbeiters, also ein vom Betrieb abtrennbares Recht, seine Gesundheit, verletzt worden. Betriebsbezogene Beeinträchtigungen sind dagegen z.B. Boykottaufrufe, gewerbeschädigende Äußerungen und physische Beeinträchtigungen des Betriebs wie z.B. eine Sitzblockade auf der Betriebszufahrt. Der Eingriff muss sich auch subjektiv gegen den Betrieb richten. Das ist nicht der Fall, wenn der Betrieb eine Zeitlang ausfällt, weil ein Bauarbeiter versehentlich einen Stromausfall verursacht.
a) Verwechslungsgefahr durch Gestaltung der Webseite
Nach Auffassung des LG Hamburg habe ein betriebsbezogener Eingriff durch Generieren und Veröffentlichen der Kanzleiprofilseite ohne Einwilligung der Anwaltssozietät vorgelegen. Unstreitig war das Profil für Mitglieder des Netzwerks Facebook abrufbar und für sonstige Internetnutzer. Insbesondere letztere seien mit den Gepflogenheiten bei Facebook nicht vertraut. Dem Publikum sei – ebenso wie der Kammer, die das Urteil sprach – nicht bekannt, dass Facebook überhaupt automatisiert Unternehmensprofile generiere. Internetnutzer würden daher irrig davon ausgehen, dass das Kanzleiprofil mit Einwilligung der Anwaltssozietät erstellt worden sei.
Dem könne Facebook auch nicht entgegenhalten, dass die Profilseite mit den Worten „Inoffizielle Seite“ markiert war. Der Hinweis war zum Zeitpunkt der Entscheidung in kleiner grauer Schrift gehalten und sei daher nicht aufgefallen. Die Aussage des Hinweises „inoffiziell“ sei auch nicht deutlich genug. Aus ihm ergebe sich nicht, dass die Profilseite durch Facebook automatisch und ohne Zutun der Klägerin generiert worden war. Das wurde erst nach Anklicken des Hinweises erläutert. Das Landgericht hielt das für nicht ausreichend, um Verwechslungen mit autorisierten Unternehmensdarstellungen zu vermeiden. Ein erheblicher Teil der angesprochenen Nutzer würde sich die Mühe nicht machen, Schaltflächen für weitere Informationen anzuklicken. Auch die Frage „Ist das dein Unternehmen?“ erschien erst dann online, wenn ein Symbol am oberen Rand angeklickt wurde. Auch ein von Facebook verwendetes Ortssymbol auf der Profilseite sei kein hinreichender Hinweis darauf, dass die angesprochenen Nutzerkreise auf eine automatisch generierte, nicht autorisierte Webseite schließen.
b) Irreführung durch falsche Information
Als betriebsbezogenen Eingriff wertete das Landgericht auch, dass die Profilseite die Information enthielt, die Kanzlei sei ausschließlich auf das Arbeitsrecht spezialisiert, denn tatsächlich sind es die Rechtsgebiete Urheber- / Medienrecht und der gewerblicher Rechtsschutz.
c) Rechtswidrigkeit des Eingriffs
Ob der Eingriff rechtswidrig ist, entscheidet eine Abwägung der gegenüberstehenden jeweiligen Interessen und Güter der Parteien. Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.
An dieser Stelle ersparte sich das Landgericht festzustellen, ob es ein schutzwürdiges Recht des Netzwerks Facebook an der automatisierten Erstellung und Veröffentlichung von Unternehmenswebseiten gibt. Jedenfalls sei das Interesse der Klägerin, die konkrete Form der Veröffentlichung zu verhindern, gewichtiger:
Auf Seiten der Klägerin stehe das Interesse, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch Falschinformationen geschwächt werden, weil Mandanten infolge der Falschinformation (unrichtige Information zur Spezialisierung) von Geschäften mit der Klägerin abgehalten werden.
Das Landgericht anerkannte auch, dass die Klägerin ein Interesse daran habe, von Internetnutzern mit Facebook nicht in Zusammenhang gebracht zu werden. Das Unternehmen stehe wegen seines Umgangs mit (personenbezogenen) Daten in der Kritik. Die Klägerin habe sich vorsätzlich gegen eine eigene Präsenz bei Facebook auch aus diesem Grund entschieden. Das Landgericht lässt dabei klar erkennen, dass Facebook diese von der Klägerin gewünschte Distanz durch hinreichende Kennzeichnung als inoffizielle Seite, die nicht von der Klägerin stammt, hätte herstellen können (Urteil RN 38).
- Unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers
Der Kläger – ein Partner der Anwaltssozietät – hat sich mit Erfolg darauf berufen können, dass Facebook seine personenbezogenen Daten, Name, Beruf und Standort, ohne Erlaubnistatbestand und damit rechtswidrig verarbeitet hat.
Facebook hat personenbezogene Daten des Klägers erhoben und auf den von ihr generierten Profilseiten über die Anwaltskanzlei gespeichert, personenbezogene Daten also im Sinne von Art. 6 DSGVO verarbeitet. Da Facebook hierzu weder vertraglich verpflichtet war, noch der Kläger sein Einverständnis hierzu gab, kommt als Erlaubnistatbestand die Güterabwägung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f) DSGVO in Frage. Im zu entscheidenden Fall standen das Interesse des betroffenen Klägers an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK auf der einen Seite gegen die Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt und gegen das Recht des Betreibers Facebook auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK auf der anderen Seite. Bei der konkreten Art der Datenverwendung von Facebook fiel nach Auffassung des Landgericht Hamburg die Abwägung zugunsten des Klägers aus, weil der
„Kläger… ein berechtigtes Interesse, im Rahmen seiner Berufsausübung nicht gegen seinen Willen mit der Beklagten in Verbindung gebracht zu werden, [hat,] während weder die Beklagte noch Dritte ein schützenswertes Interesse an der streitgegenständlichen Darstellung haben, da diese irreführend ist und leicht abgeändert werden kann.“ (Urteil RN 45)
- Fazit und Ausblick:
Weil sich das LG Hamburg zur Begründung der Anssprüche der Klägerin und des Klägers auf die konkrete Fassung und die konkreten Inhalte der Webseite bezieht, ist eine Aussage nicht getroffen, ob von Facebook automatisiert generierte sogenannte nicht-verwaltete Unternehmens-Profilseiten grundsätzlich rechtswidrig sind. Das Landgericht wies selbst darauf hin, dass es taugliche Mittel gebe, um den unzutreffenden Eindruck eines von der Klägerin erstellten Profils zu vermeiden (Urteil RN 39). Das Interesse Facebooks an der Zurverfügungstellung nicht autorisierter Webseiten mit deutlicher Klarstellung, dass es sich nicht um die Profilseiten des jeweiligen Unternehmens handelt, dürfte allerdings gering sein, weil diese weniger Nutzeraufmerksamkeit erzeugen.
Zivilrecht | Datenschutzrecht
§ 823 BGB, Art. 6 DSGVO