Mit dem OLG Stuttgart hat am 27.02.2020 ein weiteres Oberlandesgericht entschieden, dass Verstöße gegen das Datenschutzrecht wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden können. Zuletzt hatte das OLG Naumburg ebenso entschieden. Auf einen Beitrag hierzu und eine Zusammenfassung des Streitstands zum Ende 2019 wird hingewiesen.
- Sachverhalt
Der Beklagte bot am 16.07.2018 als gewerblicher Händler auf der Internethandelsplattform eBay Reifen zum Sofortkauf an. Neben seiner Firma gab er seine Postanschrift, Telefonnummer, Fax-Nummer und E-Mail-Adresse an. Eine Erklärung zum Datenschutz hielt er nicht vor. Die aus diesen Gründen ausgesprochene Abmahnung des Klägers blieb erfolglos. Der Kläger, ein Wirtschaftsverband, verlangte vom Beklagten, es zu unterlassen, im Internet ein Angebot ohne Informationen zum Datenschutz vorzuhalten.
- Verstoß gegen Datenschutzrecht
Gemäß Art. 13 DSGVO ist der datenschutzrechtlich Verantwortliche verpflichtet, der jeweils betroffenen Person (hier: den Käufern und Kaufinteressenten) einen Katalog von Informationen vor Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zu erteilen. Art 13 DSGVO ist eine Rechtsnorm, deren Ausprägungen in der Praxis mittlerweile hinlänglich bekannt sind – durch die Kenntnisnahme umfangreicher Datenschutzerklärungen bei Anbietern von Online – Inhalten und – Diensten sowie unverlangt erhaltener Datenschutzerklärungen von unternehmerischen Geschäftspartnern unterschiedlichster Branchen. Die Informationspflicht trifft auch den Händler bei eBay. Der Verantwortliche muss den Betroffenen unter anderem über seinen Namen, seine Kontaktdaten, über die Zwecke der Datenverarbeitung und deren Rechtsgrundlage, etwaige Dritte, die die Daten des Betroffenen erhalten, die Dauer der Speicherung der Daten des Betroffenen, über eine automatische Entscheidungsfindung – wie dem Scoring bei der Vergabe von (Waren-)Krediten – über die Rechte des Betroffenen gegen den Verantwortlichen und über das Beschwerderecht gegenüber den Aufsichtsbehörden informieren.
Datenschutzrechtlich Verantwortlicher im Sinne der DSGVO (Art. 4 Nr.7) sei der Händler, weil er die Daten der Käufer und Kaufinteressenten, die sich mit ihm in Verbindung setzen, erhebe und über die Zwecke und Mittel der so erhobenen personenbezogenen Daten entscheide.
Unstreitig hatte der Händler keine der Pflichtinformationen erteilt. Der Verstoß gegen Art. 13 DSGVO war also evident.
- Verstoß gegen Wettbewerbsrecht
Wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann gemäß § 8 Absatz 1 Satz 1 UWG bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Nach § 3a UWG begeht eine im Sinne von § 3 Absatz 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlung, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (Marktverhaltensregelung), wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Mit anderen Worten: Soweit die Informationspflichten des Art. 13 DSGVO a) Marktverhaltensregelung sind und b) soweit ein Verstoß gegen Art.13 DSGVO die Marktteilnehmer spürbar verletzen, kann der Verantwortliche abgemahnt und auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
a) Marktverhaltensregelung
„Als Marktverhalten im Sinne von § 3a UWG ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die objektiv der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient und durch die ein Unternehmer auf Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt … Eine Norm regelt das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt … Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilnehmern dient, ist eine Marktverhaltensregelung, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird … Nicht erforderlich ist dabei eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt … Die Vorschrift muss aber zumindest auch den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecken …“
Eine generalisierende Betrachtung der DSGVO verbiete sich nach Auffassung des Gerichts, da das Datenschutzrecht mehrere Schutzzwecke verfolge. Vielmehr sei die konkrete Norm auf ihren Marktbezug zu untersuchen. (Urteil S. 9 II.2.c)).
Die Information über den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen habe verbraucherschützende Funktion mit Marktbezug, weil es so dem Interessenten möglich sei, mit dem Händler in Kontakt zu treten. Verbraucherschützend mit Marktbezug seien die Informationen über die Rechte gegen den Verantwortlichen und das Beschwerderecht bei der Datenschutzaufsichtsbehörde (Urteil II.2.c.cc) (1)).
Dem Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer diene eine Rechtsnorm, wenn sie deren Informationsinteresse und Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit in Bezug auf die Marktteilnahme schütze. Die Entscheidung des Interessenten für eine Anbahnung des Vertrages stelle eine geschäftliche Entscheidung dar. Der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ umfasse nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie die Kontaktaufnahme mit dem Anbieter. Die Information über die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung (Artikel 13 Absatz 1 lit. c DSGVO), die Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden (Artikel 13 Absatz 2 lit. a DSGVO) und darüber, ob die Bereitstellung der Daten gesetzlich oder vertraglich vorgeschrieben oder für einen Vertragsabschluss erforderlich ist, ob die betroffene Person verpflichtet ist, die personenbezogenen Daten bereitzustellen, und welche möglichen Folgen die Nichtbereitstellung hätte (Artikel 13 Absatz 2 lit. e DSGVO) habe nach Auffassung des OLG Stuttgart einen Marktbezug, weil auch sie geeignet sind, die Entscheidung des Interessenten zu beeinflussen, mit dem Händler in Kontakt zu treten (und damit zwangsweise personenbezogene Daten zu übermitteln) (Urteil II.2.c.cc) (2)).
b) Spürbarkeit der Verletzung
Besteht der Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung darin, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird, sei dieser Verstoß nur dann spürbar im Sinne von § 3a UWG, wenn der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass aus denselben Gründen, aus denen die Informationspflichten gemäß Artikel 13 DSGVO als Marktverhaltensregelungen zu qualifizieren sind (oben a), der Verstoß gegen sie regelmäßig „spürbar“ im Sinne des § 3a UWG sei. Sollte ein Unternehmer anderer Meinung sein, müsse er (im Sinne der sogenannten sekundären Beweislast) Umstände darlegen, aus denen sich ausnahmsweise Zweifel ergeben können. Zweifel, dass der Verbraucher die zu erteilenden Informationen nicht für eine informierte Entscheidung, mit dem Unternehmer über das Internetportal zur Geschäftsanbahnung in Kontakt zu treten, benötigen würde. Im zu entscheidenden Fall hatte der Händler hierzu nichts vorgetragen.
Der Händler, der es unterlassen hatte, für seine Angebote auf eBay die nach Art. 13 DSGVO obligatorischen datenschutzrechtlichen Informationen bereitzustellen, verletze nach Rechtsauffassung des OLG Stuttgart mit Art.13 DSGVO eine Marktverhaltensregel spürbar und könne daher abgemahnt und auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Weil die Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung haben, ist die Revision vor dem Bundesgerichtshof zugelassen.
Datenschutzrecht (DSGVO) | Wettbewerbsrecht (UWG)
§ 8 Absatz 1 UWG, §§ 3, 3a UWG, Artikel 13 DSGVO