In seinem Beschluss vom 19.November 2019 (Akz. 4 U 1471/19) hat das OLG Dresden klargestellt, dass ein soziales Netzwerk Änderungen seiner Nutzungsbedingungen durch Verwendung eines Pop-up-Fensters herbeiführen könne. Die Zustimmung des Nutzers – durch Anklicken auf eine hierfür im Pop-up-Fenster vorgesehene Schaltfläche – sei auch nicht sittenwidrig, wenn der Nutzer nur die Möglichkeit hat, zuzustimmen oder das Nutzungsverhältnis zu beenden.
Die von dem sozialen Netzwerk (Verwender) vorformulierten Nutzungsbedingungen für seine Mitglieder sind Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305-310 BGB. Einmal wirksam in einen Vertrag einbezogen sind sie Vertragsbestandteil wie z.B. der vereinbarte Preis und die vereinbarte Leistung und können von einer Partei während der Laufzeit des Vertrages nicht nach Belieben geändert werden. Das können nur die beteiligten Parteien übereinstimmend. In einem Dauerschuldverhältnis kann das eine Partei vor Probleme stellen, weil sich im Laufe der Zeit die Verhältnisse ändern, neue Gesetze eingeführt werden, der Verwender sein Angebot anpassen möchte usw. AGB veralten mit den Jahren. Mit jedem der Vertragspartner jeweils gleichlautende Änderungen von AGB individuell auszuhandeln, ist Unternehmen mit nicht nur kleinem Kundenstamm praktisch unmöglich. Allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten daher üblicherweise Änderungsklauseln, die vorsehen, auf welche Weise sie vom Verwender ohne diesen Aufwand geändert werden können. Änderungsklauseln müssen bestimmten materiellen und formellen Voraussetzungen genügen und ihre Anwendung funktioniert ohne Annahmehandlung oder -erklärung des Vertragspartners – der stattdessen ein Kündigungsrecht erhält.
Ob die im Fall vom sozialen Netzwerk verwendete AGB-Änderungsklausel wirksam war und das Netzwerk daher seine AGB wirksam auf der Grundlage dieser Änderungsklausel ändern konnte, musste das OLG seiner Ansicht nach nicht entscheiden. Für die Verwender von AGB akzeptierte es einen anderen Weg: Das soziale Netzwerk hatte sämtlichen seiner Nutzer jeweils bei Aufruf des Dienstes per Pop-up-Fenster die beabsichtigte Änderung der Nutzungsbedingungen übermittelt und sie aufgefordert, durch Klick auf eine dafür vorgesehene Schaltfläche, also einer Annahmehandlung, dem Änderungsvorschlag zuzustimmen.
Die per Pop-up angebotene Änderung sei ein individuelles Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags im Sinne von § 145 BGB. Daran ändere auch nichts, dass die angebotene Änderung für sämtliche Nutzer des Netzwerks vorformuliert war, also ihrerseits eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Neufassung der AGB werde aufgrund eines nach allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien geschlossenen Änderungsvertrags einbezogen. Nicht auf der Grundlage der in den Nutzungsbedingungen enthaltenen Änderungsklausel.
Das OLG beanstandete auch nicht, dass es dem Nutzer nicht möglich war, den Nutzungsvertrag fortzusetzen, ohne die Änderungen zu akzeptieren. Das Gericht prüfte das Vorgehen am Maßstab der Sittenwidrigkeit. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig, § 138 BGB. Erstens unterliege das Netzwerk, auch wenn es in Deutschland eine „überragend wichtige Stellung“ einnehme keinem Kontrahierungszwang, sondern sei in der Auswahl seiner Vertragspartner frei, soweit es niemanden diskriminiere. Zweitens seien die Änderungen der Nutzungsbedingungen nicht so unzumutbar, „dass eine de-facto erzwungene Zustimmung“ sittenwidrig sei. Im konkreten Fall hatte das Netzwerk mit den angebotenen Änderungen ihrer Nutzungsbedingungen den Tatbestand der Hassrede präzisiert und die Folgen bei Verstößen hiergegen modifiziert. Diese Präzisierungen kämen letztlich allen Nutzern zugute, weil das Netzwerk die zuvor bestehenden uferlosen und damit rechtlich bedenklichen Sanktionsmöglichkeiten in eine AGB-rechtlich unbedenkliche Fassung geändert habe.
Da die vorgeschlagenen Änderungen zur Hassrede ihrerseits vorformuliert waren, prüfte das OLG konsequenterweise deren Inhalt gegen die Anforderungen des AGB-Rechts und äußerte im zu beurteilenden Fall keine Bedenken.
Zivilrecht | Vertragsrecht
§§ 138, 145 BGB