Das OLG Köln hat am 19.Februar 2020 ein Urteil zum Thema Verständlichkeit und Überlänge von Online-AGB erlassen. Mittlerweile liegt das Urteil mit Begründung vor.
Allgemeine Geschäftsbedingungen werden gemäß § 305 Abs.2 Nr.2 BGB nur dann Teil eines Vertrages, wenn der Verwender der AGB der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft hat, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. In der Fachwelt wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass damit auch inhaltliche Anforderungen an AGB gestellt sind: AGB dürfen nicht übermäßig lang und müssen insgesamt verständlich sein. Sind sie es nicht, kann der Vertragspartner des Verwenders für sich in Anspruch nehmen, dass die AGB des Verwenders insgesamt nicht in den Vertrag einbezogen sind. Sie sind dann für den Vertrag unbeachtlich.
Kernaussagen des Urteils:
Online- (Verbraucher-)AGB seien nicht schon deshalb intransparent, weil sie eine Länge von 83 DIN A 4 Seiten haben.
Ein niedriger Verständlichkeitsindex sei nicht geeignet, AGB pauschal als intransparent zu qualifizieren.
Sachverhalt
Die Beklagte bietet einen Online-Bezahldienst im elektronischen Geschäftsverkehr an. Die von der Beklagten bereitgestellte Bezahlplattform ermöglicht es vielen Millionen privaten und gewerblichen Nutzern weltweit, elektronisch Geld zu transferieren. Den zwischen der Beklagten und den Nutzern geschlossenen Verträgen lagen Nutzungsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde, deren Einbeziehung in die Verträge zwischen Bezahldienst und Nutzer die Klägerin wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot bestritt.
Transparenzgebot
AGB können wegen Überlänge gegen das Transparenzgebot verstoßen. Eine pauschale Aussage darüber, wie lang AGB ausfallen dürfen, verbietet sich. Ihr Umfang hänge von der Bedeutung des Geschäfts, der Vertragsart und der Üblichkeit ab. Die zu beurteilenden AGB der Beklagten stellten die Zahlungsabwicklungsmodalitäten zwischen 5 verschiedenen Personen dar. Die Beklagte habe ihre Klauseln auch nicht auf den Teil beschränken können, der sich auf den Verbraucher als zahlende Person bezieht, weil der Verbraucher im Rahmen der Zahlungsprozesse auch als Zahlungsempfänger in Frage komme. Und Zusatzbedingungen, die für den Verbraucher nicht von Bedeutung sind, könne er infolge der von der Beklagten verwendeten übersichtlichen Gestaltung erkennen. Das OLG hat in seine Wertung auch den Umstand einbezogen, dass das Internet dem Nutzer ermögliche, sich – anders als etwa bei der Bedienung durch eine natürliche Person – ohne Zeitdruck intensiv mit den Inhalten von AGB zu befassen [RN 50]. Nach Auffassung des OLG seien die AGB im fraglichen Fall nicht wegen Überlänge intransparent.
Ein schlechter Wert bei Anwendung eines Verständlichkeitsmessverfahrens (im Fall behauptete die Klägerin einen Wert von 3,18 von 20 möglichen Punkten nach dem „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ – HIX) trage ebenso wenig die Behauptung, AGB seien wegen fehlender Verständlichkeit intransparent. Das OLG Köln lehnte die Anwendung eines Verständlichkeitsindexes als Bewertungsmaßstab rigoros ab.
„Denn die Frage, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen in ihrer Gesamtheit unzulässig sind, richtet sich nach zahlreichen Faktoren, die nicht im Rahmen eines pauschalen Indexes wiedergegeben werden können. So kann etwa die Verwendung von Fremdwörtern auch dann zulässig sein, wenn diese hinreichend erläutert werden.“ [RN 54]
Folgerichtig befasste sich das OLG nicht mit der Belastbarkeit des Hohenheimer Bewertungsverfahrens und der Bedeutung eines so ermittelten Verständlichkeitsindexes in Bezug auf das Transparenzgebot. AGB seien auch nicht insgesamt intransparent, wenn einige wenige Klauseln überflüssig sind [RN 55].
Die Klägerin hätte einzelne Regelungen auf das durch § 307 Abs.1 Satz 2 BGB ebenfalls gewährte Transparenzgebot gerichtlich überprüfen lassen können. Das war aber nicht der Gegenstand der Klage. Der Klägerin ging es um die vollständige Nichteinbeziehung von AGB gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
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§ 305 Abs.2 Nr. 2 BGB