Christian Kirchberger - Blog zum Recht der digitalen Wirtschaft

OVG Münster – Gmail ist kein Telekommunikationsdienst

gmail

(Foto: Kirchberger) Nachdem der Europäische Gerichtshof am 13.Juni 2019 die relevanten Vorfragen in Sachen Google vs. Deutschland entschieden hat, zog nun das OVG Münster nach und stellte fest, dass Gmail kein Telekommunikationsdienst ist [OVG MS Urteil 13 A 17/16 vom 05.02.2020].

Gmail ist ein sogenannter „Over-the-top-Dienst“ (OTT), d. h. ein über das Internet zur Verfügung stehender Dienst, aber kein traditioneller Dienst eines Internet-Service- bzw. Zugangs-Providers. Gmail bietet seinen Nutzern einen Dienst, mit dem diese E-Mails und Dateien über das Internet versenden und empfangen können. Um diesen Dienst in Anspruch nehmen zu können, muss der Nutzer zunächst ein E‑Mail-Konto bei Gmail einrichten. Er erhält eine E‑Mail-Adresse, die ihn als Absender und Empfänger von E‑Mails identifiziert. E‑Mails und Dateien werden durch den Gmail-Dienst von Google in Datenpakete zerlegt, die mit Hilfe von standardisierten Internet-Kommunikationsprotokollen im Internet übertragen werden. Technisch erstellt der Nutzer den Inhalt der elektronischen Mail, bestimmt den Empfänger und übermittelt diese E‑Mail dann an Google durch Einleitung des Sendevorgangs. Um diese E‑Mail ihrem Empfänger zustellen zu können, betreibt Google E‑Mail-Server, die die informationstechnischen Verarbeitungsprozesse vornehmen, um den Ziel-Server mit Hilfe des Domain Name System (Domainnamensystem, DNS) zu identifizieren und die Datenpakete an die Zieladresse zu versenden. Der Transport der IP-Pakete über Telekommunikatiosnetze ist kein von Gmail geschuldeter Dienst. 

Der EuGH war für die Entscheidung der wesentlichen Vorfragen zuständig, weil die Norm des TKG, auf die sich die Bundesnetzagentur, Prozessgegner von Google, beruft, aus der europäischen Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) gespeist wird und das OVG den EuGH zur Klärung von Vorfragen zum europäischen Recht angerufen hatte. Einer Meldepflicht nach § 6 TKG gegenüber der Bundesnetzagentur unterliegt ein Over the top (OTT)-Dienstleister nur dann, wenn er gewerblich öffentliche Telekommunikationsnetze betreibt oder gewerblich öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste erbringt. Der Begriff des Telekommunikationsdienstes im Sinne des TKG wiederum geht auf den Begriff des elektrischen Kommunikationsdienstes der Rahmenrichtlinie zurück, die ihn definiert als einen gewöhnlich gegen Entgelt erbrachten Dienst, der ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen … , Art 2 Buchstabe c der Rahmenrichtlinie.

Ein Telekommunikationsdienst ist dem Wortlaut nach Signalübertragung und technisch zu verstehen.

Das Gericht erster Instanz (VG Köln) hatte noch eine umfassendere, auch wirtschaftliche Betrachtung vorgenommen und gemeint, Google sei die Signalübertragungsleistung der Internetzugangsanbieter zurechenbar, weil sie sich diese Signalübertragungsleistung für ihre Zwecke faktisch zu eigen mache und insbesondere mit ihren informationstechnischen Verarbeitungsleistungen selbst einen essenziellen Beitrag für das Funktionieren des Telekommunikationsvorgangs erbringe. Die Signalübertragungsleistung bilde den Schwerpunkt von Gmail. Bei einer wertenden Betrachtung stünden die raumüberwindende Kommunikation mit anderen Nutzern und damit der Telekommunikationsvorgang selbst im Vordergrund, während andere inhaltsbezogene Komponenten des Dienstes keine eigenständige Bedeutung hätten. Auf die fehlende zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Google für die Signalübertragungsleistung der jeweils beteiligten Internetzugangsanbieter gegenüber den Nutzern von Gmail komme es nicht entscheidend an.

Die Bundesnetzagentur vertrat die Auffassung, Google übe Kontrolle über die durch Dritte vorgenommene Signalübertragung aus, denn die E‑Mail-Server ordneten den E‑Mail-Adressen die physischen Internetprotokoll (IP)-Adressen zu, Google authentifiziere den Absender und gegebenenfalls auch den Empfänger einer E‑Mail mittels Passwort, E‑Mail-Adresse oder Nutzerkennung und steuere mittels der eingesetzten Internetprotokolle in einem für die Annahme einer Kontrolle hinreichenden Maße die Signalübertragung.

Diese Rechtsauffassungen teilte der EuGH nicht und verwies auf sein Urteil vom 30.April 2014 [Urteil vom 30. April 2014, UPC DTH, C‑475/12, EU:C:2014:285, Rn. 43], in dem er bereits klargestellt hatte, dass die Infrastruktur zwar nicht dem Dienstleister gehören müsse, es aber allein darauf ankomme, „dass der Erbringer gegenüber den Endnutzern für die Übertragung des Signals, die diesen die Bereitstellung des Dienstes, den sie abonniert haben, gewährleistet, verantwortlich ist.“ [RN 20]. Googles Gmail-Dienste seien aber keine Netzübertragungsdienste wie die eines Internetzugangs-Providers oder eines Verbindungsnetzbetreibers, Google könne daher für die Signalübertagung im Internet selbst nicht in Anspruch genommen werden, leiste also mit Gmail keinen Telekommunikationsdienst. 

Und der technische Beitrag des Gmail-Dienstes allein (Zuordnen von IP-Adressen, Zerlegen der Nachrichten in IP-Pakete, Einspeisen der Pakete in das Internet und Entgegennahme) erfülle nicht den Tatbestand der mindestens überwiegenden Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze [RN 37].

 

Telekommunikation

§ 3 Ziffer 24 TKG, Art. 2 Buchstabe c) Richtlinie 2009/140/EG

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