Christian Kirchberger - Blog zum Recht der digitalen Wirtschaft

KG Berlin – Recht zur Preisanpassung nach eigenem Ermessen ist gegenüber Verbraucher AGB-widrig (Netflix)

Preisanpassung agb-widrig

Wer als Unternehmer mit seinen Kunden Verträge über einen längeren Zeitraum schließt, sichert sich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Recht zur Preisanpassung, damit er nicht Gefahr läuft, zu einmal vereinbarten Preisen liefern bzw. leisten zu müssen, während im Laufe der Jahre sich seine Einkaufskonditionen verschlechtern. Dass Preisänderungsvorbehalte nach eigenem Ermessen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern unwirksam sind, stellte das Kammergericht Berlin in seinem Urteil vom 20.12.2019 – Az.: 5 U 24/19 – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) fest.

1. Sachverhalt

Der Dachverband der Verbraucherzentralen mahnte den Streaming-Dienst Netflix erfolglos ab und beanstandete, dass Netflix in seinen AGB folgende Formulierung verwendete:

„(Nutzungsbedingungen, Abschnitt 3.4., Änderungen am Preis und Abo-Angebot.) Unser Abo-Angebot und die Preise für den Netflix-Dienst können sich gelegentlich ändern. Sie werden jedoch mindestens 30 Tage vor deren Inkrafttreten über jegliche Änderungen an Preisen und unserem Abo-Angebot informiert.“

Erst in der Berufung vor dem Kammergericht erhielt der VZBV Recht und erwirkte, dass Netflix aufgegeben wurde, die o.g. Formulierung nicht weiter zu nutzen.

2. Preisanpassungen in AGB

Preisanpassungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nicht grundsätzlich unwirksam. Aber sie unterliegen selbstverständlich dem AGB-Recht (§§ 305-310 BGB). Die von Netflix verwendete Klausel verstoße zweifach gegen § 307 Abs. 1 BGB.

a) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, § 307 Abs.1 S.1 BGB.

Die von Netflix verwendete Klausel sei wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam,

„weil sie Preiserhöhungen nicht auf den Umfang der Kostensteigerung begrenzt und sogar dann gestattet hat, wenn der Anstieg eines Kostenfaktors durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird. Somit ermögliche die Bestimmung der dortigen Beklagten, die Preise ohne jede Begrenzung zu erhöhen und nicht nur insgesamt gestiegene Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Gerade eine solche Verschiebung des vertraglichen Gleichgewichts durch einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum wolle § 307 BGB verhindern.“

Und:

„Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird jedoch nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann.“

b) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind ferner wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, wenn sie nicht klar und verständlich ist, § 305 Abs. 1 S.2 BGB (Transparenzgebot).

Auch davon ging das Kammergericht aus:

„So ist eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Pay-TV-Senders, in der die Preisanpassung von einer Erhöhung der Kosten für die Bereitstellung des Programms abhängig gemacht worden ist, als zu unbestimmt angesehen worden, weil sie weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Preiserhöhung näher geregelt hatte. Insbesondere seien damit die Kostenelemente und deren Gewichtung im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Abonnementpreises nicht offen gelegt worden. Für den Verbraucher sei deshalb weder vorhersehbar, in welchen Bereichen Kostenänderungen auftreten können, noch habe er eine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen anhand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen, (vgl. BGH NJW2008, 360, Rn 11)

Die beanstandete Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist noch weniger bestimmt. Sie nennt keinerlei Faktoren, von denen eine Preisanpassung abhängig sein soll, sondern stellt diese vollständig in das Belieben der Beklagten.“

c) Die Unangemessenheit der o.g. Klausel werde nach Rechtsauffassung des KG auch nicht dadurch aufgefangen, dass der Kunde in Anwendung von Ziffer 3.3 der Netflix-Nutzungsbestimmungen die Möglichkeit hatte, das Abonnement zu kündigen. Die Preiserhöhung, so Netflix, würde den Kunden dann nicht mehr betreffen. In Übereinstimmung mit der BGH-Rechtsprechung sei in jedem Fall erforderlich, in der Preisanpassungsklausel Anpassungsmaßstäbe zu benennen, die zu einer Preiserhöhung führen können. Solche Anpassungsmaßstäbe hatte die Klägerin allerdings nicht formuliert. Den pauschalen Hinweis der Beklagten, dass sie in ihrem dynamischen Markt flexibel reagieren können müsse, lies das KG zu Recht nicht gelten. Das Kündigungsrecht des Kunden könne auch deshalb die Unangemessenheit der Preiserhöhungsklausel nicht kompensieren, weil sie dem Verbraucher die Möglichkeit nehme, die Rechtmäßigkeit der Preiserhöhungsklausel überprüfen zu lassen und damit auch die Möglichkeit, die Beklagte zu einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen zumindest bis zum Wirksamwerden einer von der Beklagten erklärten ordentlichen Kündigung zu zwingen.

Da es sich bei § 307 Abs.1 BGB um eine Marktverhaltensregelung, also eine Regelung, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, handelt, konnte die Klägerin, als qualifizierte Einrichtung zum Schutz von Verbraucherinteressen, die beklagte Netflix mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts abmahnen und auf Unterlassung klagen, § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, §§ 3, 3a UWG

Rechtssichere Preisanpassungsklauseln setzen voraus:

  • Faktoren der Preiserhöhung
  • Pflicht zur Mitteilung durch den Verwender
  • Frist zwischen Mitteilung und Wirksamwerden des neuen Preises
  • Kündigungsmöglichkeit des Kunden

 

Zivilrecht | Vertragsrecht

§ 307 Abs. 1 BGB

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