Am 31. Juli 2019 ist die P2B-VO in Kraft getreten, ab dem 12.Juli 2020 ist sie anzuwenden. Sie erweitert das Lastenheft für die Betreiber von Online-Marktplätzen und Suchmaschinen und den Katalog der Rechte ihrer unternehmerischen Nutzer. Der folgende Text stellt wesentliche Inhalte der Verordnung vor.
I. Betroffene: Online-Vermittlungsdienste (a), Online-Suchmaschinen (b) und (c) deren unternehmerische Nutzer
(a) Online-Vermittlungsdienste im Sinne der P2B-VO sind Onlinedienste, die es gewerblichen Nutzern ermöglichen, Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten, indem sie die Einleitung direkter Transaktionen zwischen diesen gewerblichen Nutzern und Verbrauchern erleichtern, unabhängig davon, wo diese Transaktionen letztlich geschlossen werden (präzise Definition in Art 2 Abs. (2) der P2B-VO). In der Praxis betrifft die P2B-VO Online-Marktplätze wie z.B. den der Amazon, App-Stores, Preisvergleichsdienste und Online-Services sozialer Medien für gewerbliche Nutzer wie Facebook Pages.
(b) Was eine Online-Suchmaschinen im Sinne der P2B-VO ist, muss nicht erklärt werden. Die Definition findet sich in Art. 2 Abs. (5) der VO.
(c) Unmittelbar Betroffene sind auch die gewerblichen Nutzer der Diensteanbieter und Nutzer mit Unternehmenswebsite, denn in dem Umfang, in dem der Anforderungskatalog der Anbieter erweitert wird, verbessert sich die Rechtsposition ihrer Nutzer.
II. Internationales: In der Praxis machen international agierende Onlinedienste-Anbieter von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Dienste Unternehmen mit Sitz in Deutschland auf der Grundlage von Verträgen nach anglo-amerikanischem Recht, z.B. dem Recht der Republik Irland, anzubieten. Anbieter unterliegen im anglo-amerikanischen Rechtskreis erheblich weniger Restriktionen als etwa nach deutschem Recht. Deutsches AGB-Recht z.B., das zu weiten Teilen auch für Unternehmen gilt, findet durch Wahl von Auslandsrecht keine Anwendung. Mit ihren Verträgen nach Auslandsrecht gelingt es internationalen Playern gegenüber Kunden-Unternehmen Regelungen durchzusetzen, die diese benachteiligen können (dazu unten unter „Hintergrund“). Die für EU-Unternehmen nachteiligen Auswirkungen will die P2B-VO einschränken. Die P2B-VO bringt allerdings auch gegenüber dem deutschen Recht einige Verschärfungen (dazu im Einzelnen unter ab IV:). Die P2B-VO ist als EU-Verordnung europäisches Einheitsrecht, das von den Gerichten der EU ohne kollisionsrechtliche Prüfung anzuwenden ist: Die Anforderungen der P2B-VO gelten – soweit Art. 1 den Anwendungsumfang der P2B-VO zieht – vor einem EU-Gericht unabhängig davon, welches nationale Recht die Vertragsparteien vereinbart haben oder welches Sachrecht nach den Regeln des Kollisionsrechts (das regelt, welches Sachrecht auf Sachverhalte mit Auslandsbezug anzuwenden ist; z.B. wenn ein US-Unternehmen mit NL in Irland Dienste an ein Unternehmen in Deutschland leistet) anzuwenden ist, Art. 1 Abs. (2) P2B-VO:
„Diese Verordnung gilt für Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen, unabhängig vom Niederlassungsort oder Sitz der Anbieter dieser Dienste und unabhängig vom ansonsten anzuwendenden Recht, die gewerblichen Nutzern und Nutzern mit Unternehmenswebsite bereitgestellt bzw. zur Bereitstellung angeboten werden, die ihre Niederlassung oder ihren Wohnsitz in der Europäischen Union haben und die über diese Online-Vermittlungsdienste oder Online-Suchmaschinen Waren oder Dienstleistungen in der Europäischen Union befindlichen Verbrauchern anbieten.“
III. Hintergrund: Die Europäische Kommission hatte im April 2019 in einem Arbeitsdokument veröffentlicht, dass annähernd die Hälfte der befragten Geschäftskunden Probleme in ihrer Geschäftsbeziehung mit Online-Plattformen hatten. Sie legten u.a. offen, dass Plattformbetreiber regelmäßig ihre AGB ohne Ankündigung, ohne Erläuterung und ohne Möglichkeit der Verhandlung nach eigenem Ermessen änderten. Etwa jeder fünfte Geschäftskunde äußerte, dass die Geschäftsbedingungen derart schnell geändert wurden, dass er Schwierigkeiten hatte, sein Geschäftsmodell entsprechend anzupassen (dies betraf etwa Rücksende- und Austauschprozesse oder hohe Preisanhebungen). Teils waren Geschäftsbedingungen so unklar, dass sie selbst von Juristen nicht verstanden werden konnten. Festzustellen waren ferner Delistings von Produkten oder die Stilllegung von Kundenkonten ohne Angabe von Gründen. Die Aufzählung der benachteiligenden Geschäftspraktiken muss an dieser Stelle unvollständig bleiben.
Ihre Geschäftspraktiken können Online-Plattformen in der Praxis durchsetzen, weil sie entsprechende Marktmacht haben. „Dies ist hauptsächlich deswegen von Bedeutung, weil der Anstieg bei der Vermittlung von Transaktionen über Online-Vermittlungsdienste, den starke, durch Daten ausgelöste indirekte Netzeffekte noch weiter vorantreiben, dazu führt, dass gewerbliche Nutzer, insbesondere Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die Verbraucher erreichen wollen, zunehmend von diesen Diensten abhängig werden. Angesichts dieser wachsenden Abhängigkeit haben die Anbieter dieser Dienste häufig eine größere Verhandlungsmacht, die es ihnen gestattet, sich einseitig in einer möglicherweise unlauteren Weise zu verhalten, die den legitimen Interessen ihrer gewerblichen Nutzer und indirekt auch der Verbraucher in der Union schaden kann. Sie könnten beispielsweise gewerblichen Nutzern einseitig Praktiken aufzwingen, die gröblich von der guten Geschäftspraktik abweichen oder gegen das Gebot von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs verstoßen.“ [aus der Begründung der P2B-VO, Ziffer 2.]
Der Einfluss von Anbietern von Online-Suchmaschinen auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmern, insbesondere durch das Ranking von Websites, gehört zum Allgemeinwissen der Nutzer digitaler Angebote.
Der EU-Verordnungsgeber stellte ferner fest, dass der bisher geltende Rechtsrahmen nicht ausreicht, die benachteiligenden Praktiken zu verhindern oder wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, so dass er sich veranlasst sah, mit dieser Verordnung den Platform-to-Business-Markt zu regulieren.
IV. Pflichtenkatalog für Online-Vermittlungsdienste und Rechtsfolgen bei Verstoß:
1.Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen
a) klar und verständlich formuliert sein (Transparenzgebot),
b) leicht verfügbar sein;
c) die Gründe benennen, bei deren Vorliegen entschieden werden kann, die Bereitstellung ihrer Online-Vermittlungsdienste für gewerbliche Nutzer vollständig oder teilweise auszusetzen oder zu beenden oder sie in irgendeiner anderen Art einzuschränken;
d) Informationen über zusätzliche Vertriebskanäle oder etwaige Partnerprogramme enthalten, über die der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten die vom gewerblichen Nutzer angebotenen Waren und Dienstleistungen vermarkten könnte;
e) allgemeine Informationen zu den Auswirkungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Inhaberschaft und die Kontrolle von Rechten des geistigen Eigentums gewerblicher Nutzer enthalten;
Rechtsfolgen: Hält sich der Anbieter nicht an die Spielregeln der Buchstaben (a) bis (e), sind die Geschäftsbedingungen oder die darin enthaltenen Einzelbestimmungen nichtig, Art. 3 Abs. (3) der VO. Ob nun die Geschäftsbedingungen insgesamt oder ob nur einzelne Bestimmungen nicht rechtsverbindlich sind, hängt davon ab, ob einzelne Regelungen oder sämtliche Geschäftsbedingungen vom Verstoß betroffen sind [Erwägungsgrund 20 der P2B-VO]. Sind die Geschäftsbedingungen des Anbieters für den unternehmerischen Kunden insgesamt nicht leicht verfügbar (b), werden sie daher insgesamt nichtig sein. Aber nur die jeweils unklaren bzw. nicht verständlichen Klauseln (a) leicht verfügbarer Geschäftsbedingungen sind unwirksam.
Soweit Klauseln nichtig sind, kann sich der Anbieter nicht auf diese berufen. Geht es in einem Rechtsstreit beispielsweise um eine Preismetrik, kann der Anbieter seine Preise nicht durchsetzen, wenn sie intransparent im Sinne der VO sind.
Wie sich allerdings die Regelungen aus Abs. (1) Buchstaben d) und e) darin einfügen, klärt die VO nicht. Fehlen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen Informationen über zusätzliche Vertriebskanäle und Partnerprogramme (d) bzw. über die Auswirkungen der Geschäftsbedingungen auf das geistige Eigentum des Nutzers (e) kann die Nichtigkeit nur die Geschäftsbedingungen insgesamt betreffen. Sind die Klauseln im Sinne der Buchstaben d) und e) intransparent, so kann die Nichtigkeit sich nicht auf die intransparenten Klauseln beschränken. Der Schutz des Nutzers würde dann nämlich unterlaufen: Wären nur die intransparenten Klauseln unwirksam, bliebe der Rest der Geschäftsbedingungen bestehen. Damit blieben auch diejenigen Regelungen bestehen, die z.B. in das geistige Eigentum des gewerblichen Nutzers eingreifen, der Nutzer hätte nichts gewonnen. Mit anderen Worten: Erfüllt der Anbieter seine besonderen Informationspflichten aus Buchstaben d) und e) nur unzureichend, hilft es dem Nutzer nicht, wenn lediglich diese ihn begünstigenden Informations-Klauseln nichtig sind, die ihn benachteiligenden Regelungen über Eingriffe in sein geistiges Eigentum dagegen nicht.
Welche Rechtsfolge sich allerdings ergeben soll, wenn ein Anbieter keine Angaben dazu bereithält, nach welchen Gründen er entscheidet, die Bereitstellung der Online-Vermittlungsdienste für gewerbliche Nutzer vollständig oder teilweise auszusetzen, einzuschränken oder zu beenden (c), wird erst im Zusammenhang mit der Regelung in Art. 4 deutlich (dazu unten Ziffer 4).
2. Besondere Vertragsbestimmungen
Art 8 P2B-VO ordnet an, dass Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen (Buchstabe b)) Informationen über die Bedingungen bereithalten, unter denen die gewerblichen Nutzer die Vertragsbeziehung mit dem Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten beenden können und (Buchstabe c)) eine Beschreibung des vorhandenen oder nicht vorhandenen technischen und vertraglichen Zugangs zu den von dem gewerblichen Nutzer bereitgestellten oder generierten Informationen aufnehmen, den sie behalten, nachdem der Vertrag zwischen dem Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und dem gewerblichen Nutzer abgelaufen ist. Anders als bei den verwandten Klauseln des Art 3 Abs. (1) führt ihr Fehlen allerdings nicht zur Nichtigkeit der Geschäftsbedingungen [dazu oben unter Ziffer 1].
3. Änderungen von allgemeinen Geschäftsbedingungen
Heimliche Änderungen von allgemeinen Geschäftsbedingungen sind ausgeschlossen. Das Regelverfahren gemäß Art. 3 Abs. (2) P2B-VO sieht vor:
- Anbieter informiert seinen Kunden (den gewerblichen Nutzer) über Änderungsvorschläge,
- Änderungen dürfen erst nach Ablauf einer verhältnismäßigen Frist umgesetzt werden; diese muss mindestens 15 Tage betragen,
- Kunde kann den Online-Vermittlungsvertrag vor Ablauf der Frist kündigen.
Änderungen der Geschäftsbedingungen, die den Anforderungen des Abs. (2) nicht entsprechen, sind nichtig, Art. 3 Abs. (3) der VO. Art. 3 enthält ferner Regelungen zur Form der Ankündigungen und zur Frist (Ausnahmen und Verzicht).
Art 3. Abs. (2) P2B-VO wird durch Art. 8 Buchstabe a) P2B-VO ergänzt, der rückwirkende Änderungen erlaubt, wenn diese zum Vorteil des gewerblichen Nutzers sind oder sie in Erfüllung einer gesetzlichen oder behördlich angeordneten Verpflichtung geschehen.
4. Identität des gewerblichen Nutzers
Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten stellen sicher, dass die Identität der gewerblichen Nutzer, die Waren und Dienstleistungen über die Online-Vermittlungsdienste anbieten, klar erkennbar ist, Art 3 Abs. (5) P2B-VO. Dahinter steht der Wunsch der gewerblichen Nutzer, die eigene unternehmerische Identität zu präsentieren. Ein Recht, die Darstellung ihres Angebots oder ihrer Präsenz bei den betreffenden Online-Vermittlungsdiensten zu entscheiden, haben die gewerblichen Nutzer damit allerdings nicht erhalten [Erwägungsgrund 21 der VO].
5. Einschränkung, Aussetzung und Beendigung, Art. 4 P2B-VO
Gemäß Art 4 der VO ist das stillschweigende (teilweise oder gänzliche) Einschränken, Aussetzen oder Beenden der Bereitstellung des Dienstes gegenüber einem bestimmten Nutzer im Regelfall nicht möglich. Der Anbieter muss seine Entscheidung begründen, Abs. (1) und (2), und die Begründung muss die konkreten Tatsachen oder Umstände, einschließlich des Inhalts der Mitteilungen Dritter, die ihn zu seiner Entscheidung bewogen haben, und die für diese Entscheidung geltenden Gründe gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c), die der Anbieter in seinen Geschäftsbedingungen vorformuliert hat, enthalten [Erwägungsgrund 22], Abs. (5). Ein Anbieter muss also in seinen Geschäftsbedingungen transparent die Gründe formulieren, an die er die Einschränkung, Aussetzung oder Beendigung der Bereitstellung seines Dienstes knüpfen kann. Im Bedarfsfall greift er zum Zweck der Einschränkung, Aussetzung bzw. Beendigung seines Dienstes auf diese Regelungen zurück, muss im Einzelnen in seiner Erklärung gegenüber seinem Kunden auf die dort formulierten und im Einzelfall einschlägigen Gründe verweisen und er muss den Betroffenen über die konkreten Umstände unterrichten, die in dessen Fall der Anbieter-Entscheidung zugrunde lagen. Die Vorteile für den betroffenen Nutzer liegen auf der Hand: Er hat die Möglichkeit, die Richtigkeit des vorgeworfenen Tatbestands zu überprüfen, Zustände, die zur Aussetzung bzw. Einschränkung des Dienstes geführt haben, zu beseitigen und mit dem Anbieter in einen Dialog zu treten.
Da weder die Verordnung noch die Erwägungsgründe eine entsprechende Differenzierung vorsehen, lässt sich argumentieren, dass Art. 4 der VO auch für den Fall gilt, dass der Anbieter von einem gesetzlichen Kündigungsrecht Gebrauch macht, um die Bereitstellung im Sinne der VO zu beenden. Davon ist zumindest dann auszugehen, wenn der Anbieter nicht auf der Grundlage des Heimatrechts des gewerblichen Nutzers abschließt. Dieser soll aber die Beendigungsgründe nach dem Zweck der VO kennen können – unabhängig davon, ob diese kodifiziert, Bestandteil des anglo-amerikanischen Fallrechts oder vertraglich vereinbart sind.
Art. 4 P2B-VO verlangt für die Beendigung der Bereitstellung des Online-Vermittlungsdienstes eine Frist von 30 Tagen zwischen Mitteilung und Wirksamwerden, Abs. (2), und bestimmt, dass Entscheidungen auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln sind, Abs. (1) und (2). Art. 4 Abs. (3) verzahnt den Prozess der Einschränkung, Aussetzung oder Beendigung mit dem Beschwerdemanagementverfahren des Art. 11.
Art 4 Abs. (4) enthält Ausnahmen von der 30-Tage-Frist und Abs. (5) von der Begründungspflicht. An die Frist und die Begründungspflicht ist der Anbieter z.B. dann nicht gebunden, wenn der betroffene gewerbliche Nutzer wiederholt gegen die geltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen hat. Sie entfallen auch, wenn der Anbieter sein Recht auf Beendigung aufgrund eines „zwingenden Grunds“ nach nationalem Recht, das im Einklang mit dem Unionsrecht steht, ausübt. Gemeint ist damit die „sofortige Beendigung, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien nach vernünftigem Ermessen nicht erwartet werden kann, dass das Vertragsverhältnis bis zum vereinbarten Ende oder bis zum Ablauf einer Frist fortgesetzt wird“, Erwägungsgrund 23 S.4. Ein Beendigungsgrund, der dem deutschen „wichtigen Grund“ zur fristlosen Kündigung entspricht.
Soweit der Anbieter keinem Abschlusszwang (insbesondere nach Kartellrecht) unterliegt, steht es dem Anbieter auch weiterhin frei, seine Leistungsverträge nach eigenem Ermessen mit ausgesuchten Vertragspartnern abzuschließen und ordentlich (also ohne dass besondere Gründe für eine vorzeitige Beendigung vorliegen) zu beenden. Für diesen Fall sollte ein Hinweis des Anbieters auf die Kontrahierungsfreiheit ausreichen.
Rechtsfolgen: Art. 4 enthält keine dem Art. 3 Abs. (3) ähnliche Regelung. Die VO selbst bestimmt also keine Rechtsfolgen für die Fälle, in denen der Anbieter gegen Art. 4 verstößt, etwa weil er die 30-Tage-Frist nicht beachtet oder die in seiner Erklärung dargelegten Tatsachen, die in seinen Geschäftsbedingungen niedergelegten Beendigungsgründe nicht tragen, weil sie zu schwach sind. Damit kommt das nationale Recht zum Zug, das das Geschäftsverhältnis zwischen dem Anbieter und seinem Kunden regelt. Was selbstverständlich ist, stellt Art. 1 Abs. (4) S.2 P2B-VO so klar: „Diese Verordnung berührt nicht das nationale Zivilrecht, insbesondere das Vertragsrecht, etwa die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen, die Wirkungen oder die Beendigung eines Vertrags, soweit die Vorschriften des nationalen Zivilrechts mit dem Unionsrecht in Einklang stehen und soweit die relevanten Aspekte nicht durch diese Verordnung geregelt werden.“
Zur Durchsetzung der Rechte des Kunden aus der VO in Verbindung mit dem jeweils anzuwendenden nationalen Recht sieht die P2B-VO eine Kaskade von Mitteln vor. Im Regelfall soll sich der Kunde des Anbieters an ein internes Beschwerdemanagement (Art. 11 P2B-VO; in diesem Abschnitt und unten Abschnitt IX.) des Anbieters wenden, Art 4 Abs. (3) P2B-VO. Das Beschwerdeverfahren ist freiwillig. Art. 11 Abs. (1), Unterabsatz 2, Art. 4 Abs. (3) und Erwägungsgrund 40 stellen klar, dass der Anbieter seinem gewerblichen Nutzer die „Möglichkeit“ der Beschwerde einräumen muss. Der gewerbliche Nutzer, Kunde des Online-Vermittlers, wird durch die Verordnung an keiner Stelle verpflichtet, den Beschwerdeweg zu gehen. Dem Kunden soll es unbenommen bleiben, während des Beschwerdeverfahrens oder anschließend, den Rechtsweg zu beschreiten. Das regelt zwar keiner der Artikel der P2B-VO aber immerhin Erwägungsgrund 37 Satz 4 P2B-VO.
Bleibt der Anbieter bei seiner Entscheidung, kann ein Mediator die Sache des Kunden beurteilen. Die Mediation folgt dem Beschwerdemanagement-Verfahren, wenn der Beschwerde nicht abgeholfen wird, Art 11 Abs. (1) P2B-VO. Damit verlässt die Beschwerde des Kunden das Haus des Anbieters. Der Mediator ist unparteiisch und unabhängig. Der Anbieter muss in seinen Geschäftsbedingungen zwei Mediatoren angeben, mit denen er bereit ist zusammenzuarbeiten, um mit gewerblichen Nutzern eine außergerichtliche Beilegung etwaiger Streitigkeiten zu erzielen. Der Anbieter ist verpflichtet, sich an Mediationsversuchen des gewerblichen Nutzers zu beteiligen, Art 12 Abs. (3) P2B-VO und Erwägungsgrund 42, Satz 1. Die Verpflichtung, ein Mediationsverfahren einzuleiten, sieht die VO allerdings nicht vor. Auch die Mediation beschränkt nicht das Recht des Kunden, seine Ansprüche durch Klage vor den Gerichten durchzusetzen, Art 12 Abs. (5) P2B-VO.
Weder die P2B-VO noch das deutsche Zivilprozessrecht sehen vor, dass der gewerbliche Nutzer ein Beschwerdeverfahren oder die Mediation einleiten muss. Die P2B-VO stellt klar, dass weder das Beschwerdeverfahren noch die Mediation das Recht des gewerblichen Nutzers auf Beschreitung des Rechtswegs beschränken. Weder Beschwerdeverfahren noch Mediation sind daher Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klage.
V. Ranking durch Online-Vermittlungsdienste und Suchmaschinen
Angesichts der bedeutenden Auswirkungen des Rankings von Webseiten bei Online-Suchmaschinen auf den Geschäftserfolg von Webseitenbetreibern und von Waren- und Dienstleistungsangeboten bei Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten (Marktplätzen) auf den Geschäftserfolg von gewerblichen Nutzern [Erwägungsgrund 4], soll Art. 5 zu mehr Fairness und Transparenz rund um das Ranking beitragen. Anbieter sind verpflichtet, die das Ranking bestimmenden Hauptparameter offenzulegen, Art. 5 Abs. (1), (2) und (3). Zwar sollen dabei Geschäftsgeheimnisse im Rahmen der Richtlinie (EU) 2016/943 geschützt bleiben. Damit das Ziel dieser Verordnung aber verwirklicht wird, „darf daher die Berücksichtigung der geschäftlichen Interessen der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten oder Online-Suchmaschinen niemals dazu führen, dass die Offenlegung der für das Ranking entscheidenden Hauptparameter verweigert wird“, Erwägungsgrund 27 P2B-VO.
VI. Erläuterung ungleicher Behandlung von Diensten der Anbieter und ihrer Kunden
„Bietet ein Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten bestimmte Waren oder Dienstleistungen Verbrauchern über seine eigenen Online-Vermittlungsdienste oder über einen gewerblichen Nutzer an, über den er die Kontrolle ausübt, konkurriert dieser Anbieter möglicherweise direkt mit anderen gewerblichen Nutzern seiner Online-Vermittlungsdienste, über die er keine Kontrolle ausübt; dies könnte dem Anbieter einen wirtschaftlichen Anreiz und die Möglichkeit geben, seine Kontrolle über Online-Vermittlungsdienste zu nutzen, um seinen eigenen Angeboten oder den Angeboten eines gewerblichen Nutzers, über den er die Kontrolle ausübt, technische und wirtschaftliche Vorteile einzuräumen, die er gewerblichen Nutzern verweigert, die mit ihm im Wettbewerb stehen. Ein solches Verhalten könnte den lauteren Wettbewerb beeinträchtigen und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher einschränken.“, Erwägungsgrund 30. Ähnliches gilt für Online-Suchmaschinen, Erwägungsgrund 31.
Daher sind die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und –Suchmaschinen verpflichtet, diese Ungleichbehandlung unter Beachtung der Kriterien in Art 7 Abs. (3) P2B-VO durch entsprechende Erläuterungen transparent darzulegen.
VII. Datenzugang bei Online-Vermittlungsdiensten
Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten sind verpflichtet, in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen den Zugang oder das Fehlen eines solchen Zugangs für gewerbliche Nutzer zu personenbezogenen oder sonstigen Daten (z.B. Bewertungen und Rezensionen) zu erläutern, die gewerbliche Nutzer oder Verbraucher für die Nutzung der betreffenden Online- Vermittlungsdienste zur Verfügung stellen oder die im Zuge der Bereitstellung dieser Dienste generiert werden, Art 9 Abs. (1) P2B-VO. Die Regelung ist keine Datenschutznorm. Vielmehr soll sie dem Kunden ermöglichen zu erkennen, ob er durch eigene Geschäftsmodelle am Datenhaushalt der datensaugenden Anbieter partizipieren kann [Erwägungsgründe 33 und 35]. Einen Anspruch hierauf hat der gewerbliche Nutzer, der Kunde des Online-Vermittlungsdienstes, freilich nicht.
VIII. Einschränkung alternativer Absatzmöglichkeiten durch Online-Vermittlungsdienste
Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten schränken in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen gern die Möglichkeit gewerblicher Nutzer ein, Waren oder Dienstleistungen zu günstigeren Bedingungen auf anderem Weg als über diese Online-Vermittlungsdienste anzubieten. Die VO verbietet das nicht, sie setzt einmal mehr auf Transparenz: Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten müssen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen die Gründe für diese Einschränkungen angeben. Er ist verpflichtet, die wichtigsten wirtschaftlichen, geschäftlichen oder rechtlichen Gründe für die Einschränkungen aufzuführen, Art. 10 P2B-VO.
IX. Internes Beschwerdemanagement und Mediation bei Online-Vermittlungsdiensten
Art 11-13 enthalten Regelungen für ein internes Beschwerdemanagement und die Mediation. Die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten sind zur Etablierung transparenter Prozesse für ein internes Beschwerdeverfahren und zur Mediation verpflichtet. Für Suchmaschinenbetreiber gilt diese Pflicht nicht. Der Gebrauch des Wortes „intern“ sollte nicht dahingehend verstanden werden, dass ein internes Beschwerdemanagementsystem nicht an einen externen Dienstleister oder eine andere Unternehmensform ausgelagert werden darf, solange ein solcher Anbieter oder eine solche andere Unternehmensstruktur über die volle Befugnis und Möglichkeit verfügt, dafür zu sorgen, dass das interne Beschwerdemanagementsystem die Anforderungen dieser Verordnung erfüllt, Erwägungsgrund 39.
Die Verfahren sind für den Kunden, den gewerblichen Nutzer, freiwillig [dazu bereits oben unter Abschnitt IV.].
X. Klagerechte von Organisationen, Verbänden und öffentlichen Stellen
Neben die Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten / -Suchmaschinen und Wettbewerber (soweit einzelnen Regelungen der P2B-VO marktregulierender Charakter zuzusprechen und daher Rechtsschutz nach dem UWG möglich ist) treten als potentielle Kläger öffentliche Stellen, die nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats damit beauftragt wurden, die kollektiven Interessen von gewerblichen Nutzern oder von Nutzern mit Unternehmenswebsite wahrzunehmen, oder dafür zu sorgen, dass die in dieser Verordnung festgelegten Bestimmungen eingehalten werden, Art 14 Abs. (1) und (4) P2B-VO. Ein eigenes Klagerecht mit derselben Zielrichtung haben außerdem Organisationen und Verbände, die ein berechtigtes Interesse an der Vertretung gewerblicher Nutzer oder von Nutzern mit Unternehmenswebsite haben, Art 14 Abs. (1) P2B-VO; gemäß Abs. (3) vorausgesetzt, a) sie sind nach dem Recht eines Mitgliedstaats ordnungsgemäß errichtet; b) sie verfolgen Ziele, die im kollektiven Interesse der Gruppe gewerblicher Nutzer oder der Nutzer mit Unternehmenswebsite sind, die sie dauerhaft vertreten; c) Sie verfolgen keine Gewinnerzielungsabsicht und d) ihre Entscheidungsfindung wird nicht unangemessen durch Drittgeldgeber, insbesondere durch Anbieter von Online- Vermittlungsdiensten oder Online-Suchmaschinen, beeinflusst. (Dabei darf freilich nicht übersehen werden, dass (a) gewerbliche Nutzer, Nutzer mit Unternehmenswebseiten, (b) Wettbewerber und (c) Organisationen, Verbände und öffentliche Stellen jeweils unterschiedliche subjektive Rechte innehaben und unterschiedliche Klageziele verfolgen.)
Die Anbieter haben bis zum 11. Juli 2020 Zeit, ihre Prozesse und ihre AGB anzupassen.
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