Christian Kirchberger - Blog zum Recht der digitalen Wirtschaft

OLG Naumburg – Datenschutzverletzung kann nach Wettbewerbsrecht abgemahnt werden

In der Rechtsprechung ist umstritten, ob ein Verstoß gegen Datenschutzrecht auch mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts angegriffen werden kann. Das OLG Naumburg hat am 07.11.2019 entschieden, dass das grundsätzlich möglich sei. [OLG Naumburg, Urteil vom 07.11.2019 -9 U 6/19]

Ein Apotheker hatte sich gegen Angebote der Onlineapotheke eines Wettbewerbers gewendet, die den Amazon Marketplace für ihren Absatz nutzte. Das Gericht stellte fest, dass das Onlineangebot gegen § 9 DSGVO verstoße. § 9 DSGVO gestattet die Verarbeitung „besonderer Kategorien“ personenbezogener Daten nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen. Zu diesen besonderen Kategorien personenbezogenen Daten zählen z.B. politische Meinungen, die Religionszugehörigkeit, genetische und biometrische Daten sowie Gesundheitsdaten. Auch Bestelldaten der Kunden seien Gesundheitsdaten. Zwar nicht Gesundheitsdaten „im engeren Sinne“, wie das OLG meint; aus den Bestelldaten ließen sich jedoch Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Bestellers ziehen. Das reiche aus. Die für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten erforderliche Einwilligung des Betroffenen (des Bestellers) gemäß § 9 Abs. (2) Buchstabe a) DSGVO habe jeweils gefehlt, § 9 DSGVO sei daher verletzt.

Nach Auffassung des OLG handele es sich bei § 9 DSGVO, gegen den der Beklagte verstoßen habe, um eine sogenannte Marktverhaltensregelung, eine Regelung, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, § 3a UWG.

Eine Norm regelt das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schütz. Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilneh-mern dient, ist eine Marktverhaltensregelung, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird. Nicht erforderlich ist eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt. Die Vorschrift muss jedoch – zumindest auch – den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecken; lediglich reflexartige Auswirkungen zu deren Gunsten genügen daher nicht

Die DSGVO schütze zwar in erster Linie das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Zur Begründung seiner Entscheidung führt das OLG weiter aus:

„Gleichwohl verfolgt die DSGVO auch andere Zielsetzungen: In den Erwägungsgründen 6 bis 8 der DS-RL heißt es, dass die Richtlinie auch den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau heben soll (Erwägungsgründe 6 und 7), weil ein unterschiedliches Schutzniveau ein Hemmnis für die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten auf Gemeinschaftsebene darstellen und den Wettbewerb verfälschen könne (Erwägungsgrund 7 Satz 2), und die Regelungen der Richtlinie auch der Beseitigung solcher Hemmnisse diene, um einen grenzüberschreitenden Fluss  personenbezogener Daten kohärent in allen Mitgliedsstaaten und in Übereinstimmung mit dem Ziel des Binnenmarktes zu regeln (Erwägungsgrund 8).

Das OLG verurteilte den beklagten Anbieter, den Vertrieb apothekenpflichtiger Medikamente über die Internethandelsplattform Amazon zu unterlassen, solange nicht sichergestellt ist, dass der Kunde vorab seine Einwilligung in die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten im Rahmen des Anmelde- und Kaufprozesses erteilt hat.

Wegen der Auswirkungen des Urteils auf die Praxis wird auf den Text Abmahnung von Datenschutzverstößen nach Wettbewerbsrecht – Stand der Dinge zum Jahresende 2019 verwiesen.

Datenschutzrecht (DSGVO) | Wettbewerbsrecht (UWG)

Art. 9 DSGVO, § 3 a UWG

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